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Die letzte Nachricht über meinen Großvater
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Mein Grossvater war am 13. August 1903 in Pampitz bei Brieg in Schlesien geboren worden. Trotz einer körperlichen Behinderung - wegen einer Beinverletzung, die er sich als Kind zugezogen hatte, hinkte er - wurde er im März 1944 zum Kriegsdienst eingezogen. Seine Frau Frieda und ihre drei Kinder blieben allein in Dammelwitz zurück, wo Gepperts seit 1937 ein Bauerngut besaßen. Im Besitz meiner Großmutter Frieda Geppert befand sich ein Handschreiben von Wilhelm Gründel in Eschwege. Er war der Hauptfeldwebels der Kompanie, in der ihr Mann seinen Kriegsdienst leistete. Er schildert darin die Umstände, die zum Verschwinden ihres seitdem vermissten Ehemanns führten. Leider hat sich das Original dieses Briefes in ihrem Nachlass nicht wiederfinden lassen, so das ich heute nur noch eine maschinenschriftliche Abschrift in Händen halte, die ich als Jugendlicher gefertigt habe: |
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Der Schütze
Karl Geppert |
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Eschwege West, am 27. 6. 48 Werte Frau Geppert, |
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Meine Großmutter mit ihren drei Kindern war am 17. Januar 1945, als sich die geschilderten Ereignisse im rund 250 Kilometer entfernten Litzmannstadt (poln. Lódz) abspielten, noch zuhause in Dammelwitz (poln. Danielowice), südöstlich von Breslau. 10 Tage später, am 26. Januar 1945, wurde das schlesische Dorf Dammelwitz vor der herannahenden Roten Armee evakuiert. Rund drei Monate war der Flüchtlingstreck unterwegs, bis Frieda Geppert mit ihren Kindern Karl, Ingrid und Bärbel ins bayerische Dorf Leuthenforst bei Marktleuthen kamen, wo sie – seit dem 24. Mai 1945 polizeilich gemeldet – vorerst eine neue Heimat fanden. Großmutter stellte natürlich sofort einen Suchantrag beim Suchdienst des Roten Kreuzes, doch blieb ihr Mann spurlos verschwunden. Schließlich wurde er durch Beschluss des Amtsgerichtes Wunsiedel vom 2. November 1959 für tot erklärt. (StA. Bamberg K 140, Todeserkl. Nr. 744) | ||
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Der Suchdienst München
des Deutschen Roten Kreuzes erläuterte in einem Gutachten
vom 30. September 1982 meiner Großmutter das Ergebnis seiner
Nachforschungen über ihren Mann. Danach sei Gerhard Geppert,
geb. 13. August 1903, „mit hoher Wahrscheinlichkeit im Januar
1945 bei den Kämpfen im Raum Lódz in sowjetischen
Gewahrsam geraten und in der Gefangenschaft verstorben. Zur Begründung
wird ausgeführt:
Am 12. Januar 1945 eröffneten überlegene Kräfte der Roten Armee nördlich und südlich von Warschau eine Offensive. Ihre Panzerarmeen durchbrachen bald danach die Front im Bereich der deutschen 9. Armee an der Weichsel. Am 19. Januar hatten sie bereits Lódz zurückerobert und waren weiter in Richtung Posen vorgestoßen. Die zur Festung erklärte Stadt wurde eingeschlossen. Die sowjetischen Verbände setzten den Vormarsch fort, um Küstrin und Frankfurt/Oder zu erreichen. Im Raum zwischen der Weichsel, bei Thorn und ostwärts Frankfurt, befanden sich die Reste der 9. Armee auf dem Rückzug. Die aus Richtung Posen ausweichenden deutschen Truppen sollten eine vorbereitete Verteidigungslinie ostwärts der Oder besetzen und – nach Zuführung von Verstärkungen – den feindlichen Vorstoß aufhalten. Die erwähnten Befestigungen verliefen entlang der Obra, einem Nebenfluß der Warthe, von Bentschen im Süden, über Tirschtiegel und Meseritz nach Landsberg/Warthe. Hier sollten die Reste der 9. Armee – verstärkt durch zwei Divisionen, die jedoch nur noch Regimentsstärke hatten – den Gegner zum Stehen bringen. Zur Unterstützung dieser gänzlich unzureichenden Verteidigungskräfte wurden Volkssturmeinheiten aus verschiedenen Gebieten Deutschlands in diesen Raum verlegt. Sie vermochten, da gänzlich unzureichend ausgerüstet und bewaffnet, nur schwachen Widerstand zu leisten. Die zu Beginn der Offensive an der Weichsel eingesetzten Verbände der 9. Armee hatten bereits durch das Feuer sowjetischer schwerer Artillerie erhebliche Verluste erlitten. Trotz äußerster Anstrengung konnten die Regimenter den mit überlegenen Kräften angreifenden Gegner nicht aufhalten. Über Lódz und Kalisch sowie Kutno und Posen drangen Panzerkräfte nach Westen vor. Um einer drohenden Umklammerung zu entgehen, lösten sich die deutschen Kampfgruppen immer wieder aus ihren Stellungen, die sie kurzfristig bezogen hatten, um den Gegner wenigstens vorübergehend aufzuhalten. Sie mußten sich – von den schnell vordringenden feindlichen Truppen oft überholt – ständig den Weg freikämpfen. Wiederholt gerieten die nun bereits zersprengten Verbände in Hinterhalte der sich überall regenden Partisanen. Um den 20. Januar, als Lódz und Warschau schon aufgegeben waren, überquerten die deutschen Truppen die Warthe. Zum Monatsende erreichten die erschöpften Reste der Armee – mit ihnen die restlichen Teile von Alarmverbänden und Volkssturmeinheiten, die im Warthegebiet gekämpft hatten – zwischen Glogau und Küstrin die Oder. Hier hatten inzwischen in aller Eile alarmierte Verbande des Ersatzheeres eine behelfsmäßige Abwehrfront gebildet. In diesem Frontabschnitt kamen insbesondere aus Volkssturm, Luftwaffenbodenpersonal, Angehörigen der Organisation Todt und der Polizei gebildete Alarmbataillone zum Einsatz. An einigen Stellen gelang es den Kräften des Gegners, auf dem Westufer des Stromes „Brückenköpfe“ zu bilden. Im Februar versuchten die deutschen Truppen in verlustreichen Kämpfen erfolglos wieder über die Oder zu drängen. Die seit dem 25. Januar eingeschlossene Festung Posen kapitulierte am 23. Februar. Eine Woche vorher hatten sich noch etwa 2.000 eingeschlossene Soldaten in nordostwärtiger Richtung durchkämpfen können. Seit den geschilderten Kämpfen werden zahlreiche Soldaten der 9. Armee vermißt. Viele von ihnen sind gefallen, andere gerieten in sowjetische Gefangenschaft. Schon bei den Märschen in die Lager starben kranke und verwundete Kriegsgefangene, die den Strapazen nicht mehr gewachsen waren. Unzureichende Bekleidung und Verpflegung sowie aufgrund ungenügender sanitärer Verhältnisse in den Lagern auftretende Epidemien führten besonders in den Jahren 1945 und 1946 zu zahlreichen Todesfällen. Nach einem Hinweis ist auch der Verschollene in Gefangenschaft geraten. Auf eine Anfrage teilte das Sowjetische Rote Kreuz in Moskau mit, daß die Nachforschungen nach dem Verschollenen zu keinem Erfolg geführt haben. Alle bisherigen Ermittlungen des DRK-Suchdienstes lassen aber nur die Schlussfolgerung zu, daß er in sowjetischer Kriegsgefangenschaft verstorben ist. Aufgrund des Nachforschungsergebnisses ist es jedoch nicht möglich, eine Grablage zu ermitteln.“ Ein erneute Anfrage beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes und bei der „Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht“ im Jahr 1999 brachten keine neuen Erkenntnisse. Harald Stark |