Unsere Vorfahren kommen aus Schlesien

Vortrag von Harald Stark - gehalten anlässlich des Geppert-Familientreffens 2016 in Kulmbach:

 

Im 1. Jahrhundert nach Christus war das schlesische Becken noch von Germanen besiedelt; im 6. Jahrhundert wanderten westslawische Stämme in dieses Gebiet ein. Im 10. Jahrhundert gelang es dem Premysliden Vratislav I. mährische und mittelschlesische Gebiete in Besitz zu nehmen. Gegen Ende des 10. Jahrhunderts wurden dann große Teile Schlesiens von den polnischen Piasten erobert. Es folgte ein über ein Jahrhundert schwelender Kampf zwischen Böhmen und Polen um die Vorherrschaft in Schlesien, der im sogenannten Glatzer Pfingstfrieden von 1137 zugunsten des Polenherzogs Boleslaw (III.) „Schiefmund“ entschieden wurde.
Herzog Boleslaw hatte testamentarisch die Aufteilung Polens unter seinen Söhnen verfügt. Dem ältesten Sohn Wladyslaw II. sollte nicht nur Schlesien, sondern vor allem Krakau zufallen, mit dessen Besitz nach dem Wunsch des Vaters, die Rolle als Reichs- und Familienoberhaupt, als „Großfürst“ verknüpft sein sollte. Dieser war mit Agnes von Babenberg, einer Tochter des Markgrafen Leopold von Österreich und Halbschwester des Staufer-Königs Konrads III. verheiratet.
 
 
Wladyslaw war als „Großfürst“ bemüht, auch über die von seinen Brüdern regierten Länder die Oberhoheit auszuüben. Als er dort 1145 Steuern erheben wollte, kam es zu einem bewaffneten Aufstand, der im Jahr darauf in seiner Vertreibung gipfelte. Wladyslaw fand Zuflucht bei König Konrad III., dem Halbbruder seiner Gemahlin, der ihm die Burg Altenburg als Wohnsitz zuwies. Er blieb dort bis zu seinem Tod 1159 und so kam es, das seine beiden Söhne Boleslaw „der Lange“ und Mesko „Kreuzbein“ ihre Jugendjahre in Thüringen verbrachten. Durch Vermittlung Kaiser Friedrich Barbarossas konnten diese nach dem Tod des Vaters nach Polen zurückkehren und erhielten von ihrem Onkel, dem „Großfürsten“ Boleslaw „Kraushaar“ 1163 das Herzogtum Schlesien.
Schlesien war damals noch von ausgedehnten Wäldern uns Sumpflandschaften geprägt. Nur siedlungsgünstige Lagen waren bereits von slawischen Bauern in Besitz genommen worden. Die Wirtschaft des Landes war als Naturalwirtschaft ausgeprägt. Im rührigen Thüringen hatten Boleslaw und Mesko das breite Warenangebot von spezialisierten Handwerkern und die Vorzüge des Handels und damit der Geldwirtschaft kennen gelernt. Diese Ideen nahmen sie nun mit nach Schlesien und begannen, zur Intensivierung der dortigen Wirtschaft, deutsche Siedler ins Land zu holen. Wie der Stammbaum hier zeigt, entstammten die Ehefrauen der schlesischen Piasten zumeist aus führenden Familien im Deutschen Reich. Dies war ein Mittel, welches das deutsche Königtum nutzt, um die Herrscher im benachbarten Schlesien an sich zu binden. Besondere Bedeutung bei der Förderung der deutschen Kolonisation kommt Boleslaws Sohn Heinrich I. und dessen Gemahlin Hedwig zu. Er gründete Städte nach deutschem Recht, wie beispielsweise 1234 die Stadt Ohlau. Seine fromme Gemahlin ließ sich die schon unter der Herrschaft ihres Schwiegervaters, der 1163 das Kloster Leubus gegründet und Zisterzienser aus dem bei Naumburg gelegenen Konvent Pforta dorthin gerufen hatte, begonnene Ansiedlung von deutschen Ordensgeistlichen angelegen sein. Nach dem Tod ihres Gemahls 1238 trat sie selbst in das 1202 von ihr gegründete Zisterzienserinnenkloster Trebnitz ein, wo sie 1243 starb. 1267 wurde Hedwig heilig gesprochen und seitdem als Schutzpatronin Schlesiens verehrt.
Die nach Schlesien gerufenen deutschen Siedler kamen hauptsächlich aus Franken und Mitteldeutschland. Zunächst noch durch die in Böhmen und in der Lausitz lebende slawische Bevölkerung vom deutschen Sprachraum abgeschnitten, entwickelte sich in Schlesien bald ein eigener Dialekt und eigenes deutsches Volkstum.
 
 
Relative Verteilung des Familiennamen Gebhard
(Erstellt mit dem Geogen Onlinedienst)
 
Familienname „Geppert“ Zeugnis ab. Handelt es sich doch dabei um die schlesische Form des besonders in Franken, der Oberpfalz, in Thüringen und dem südlichen Sachsen-Anhalt verbreiteten Familiennamen „Gebhardt“.
Ursprünglich handelt es sich hierbei um einen Vornamen, der seit dem 11. Jahrhundert besonders durch die Verehrung des Heiligen Gebhard, Bischof von Konstanz (+ 995), in Mode gekommen war. Von der Wortbedeutung her handelt es sich um eine althochdeutsche Namensbildung die als „starke Gabe“ (geba = Gabe; hart = hart, stark, fest, entschlossen) zu interpretieren ist.
Was wir über die ältere Geschichte unserer schlesischen Vorfahren wissen, haben wir dem aus der schon vor dem 2. Weltkrieg nach Leipzig umgesiedelten Stadtlinie stammenden Wolfram Geppert zu verdanken. Er muss sich schon vor dem Ende des Krieges intensiv mit der Genealogie der Gepperts beschäftigt haben, denn durch die in Folge der Vertreibung der Schlesier eingetretenen Archiv-Verluste, namentlich an Kirchenbüchern und Standesamtsunterlagen, hätte er diese Arbeit zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr leisten können.
Die drei Orte Groß-Jenkwitz, Giersdorf und Pampitz, die in Wolfram Gepperts Forschungsergebnissen als Wohnsitze unserer Geppert-Vorfahren auftauchen, liegen alle im Umkreis weniger Kilometer südlich von Brieg. Sie gehören heute mit Böhmischdorf, Johnsdorf, Kreisewitz, Michelsdorf, Schönfeld, Alzenau, Pogarell und Konradswaldau zur Gemeinde Alzenau (Olszanka) in der Woiwodschaft Oppeln. Alle diese Orte sind mir noch aus den Erzählungen meiner Großmutter Frieda Geppert geläufig.
 
 
Die Herkunftsorte unserer Vorfahren südlich von Brieg
(Kartengrundlage: Meßtischblatt 5170, Brieg, 1932)
 
Sie lagen im Gebiet des schlesischen Herzogtums Brieg, das 1311 – nach dem Tod Herzog Heinrichs V. in der Erbteilung zwischen dessen Söhnen Boleslaw III., Heinrich VI. und Wladislaw – vom Herzogtum Breslau abgetrennt worden und dem genannten Boleslaw zugefallen war. Damit war Brieg zur Residenz eines eigenen Zweiges der Piasten geworden, und behielt, zusammen mit Liegnitz, diesen Charakter unter allen schlesischen Städten am längsten, nämlich bis zum Aussterben des Piastenhauses im Jahr 1675.
Da das Territorium des Herzogtums Brieg nahe an der Grenze zu Oberschlesien lag, gab es hier auch einen polnischsprachigen Bevölkerungsanteil. Die Oder bildete die Grenze zwischen der deutschen und der polnischen Seite. Im Süden befand sich – so schreibt Friedrich Albert Zimmermann 1763 in seinen Beiträgen zur Beschreibung von Schlesien – die „deutsche Seite, deren Einwohner deutsch sprechen und meist evangelisch sind“; im Norden, besonders um Leubusch, Döbern, Neusorge, Mangschütz und Karlsmark wurde polnisch geredet und die katholische Konfession war vorherrschend. Die Herkunftsorte unserer Vorfahren waren alle südlich, beziehungsweise südwestlich der Oder gelegen. Der älteste bekannte Geppert, Elias, lebte in Groß-Jenkwitz. Er starb dort 1683 als Bauer im Alter von 46 Jahren. Er muss im Dorf großes Ansehen genossen haben, denn aus dem Heiratseintrag seines Sohnes von 1691 erfahren wir, dass sein Vater das Schulzenamt innegehabt hatte. Der Schulze war der vom Dorfherrn eingesetzte Vertreter im Amt. Er hatte im Auftrag seines Herren die Mitglieder der Gemeinde zur Leistung ihrer Schuldigkeiten anzuhalten, die Abgaben einzuheben, dessen Anordnungen zu verkünden und durchzusetzen und als Polizeiorgan im Dorf zu wirken.
Groß Jenkwitz war ein ritterschaftliches Dorf. Es war der Sitz eines Zweiges der schlesischen Uradelsfamilie Habdanck, der sich seit 1351 von Jenkwitz nannte und bald darauf hohe weltliche und geistliche Stellungen als Ratsherren und Pfarrer in Brieg und Breslau bekleidete, während sich Groß-Jenkwitz bereits 1374 in den Händen der Familie von Schellendorf befindet.
1763 gab es im Dorf neben dem als Vorwerk bezeichneten Herrschaftsgut eine evangelische Kirche, ein Pfarr- und Schulhaus, eine Wasser- und eine Windmühle, 15 Bauern, 27 Gärtner, 6 Häusler und 297 Einwohner. Der Dorfherr war der Kreisdeputierte Carl Leopold von Schickfus.
 
 
Auszug aus der Karte
Principat[us] Brigensis in Silesia Inferior
(Fürstentum Brieg in Niederschlesien)
Kupferstich von Georg Friedrich Lotter,
Augsburg 1760
 
Giersdorf war im 14. Jahrhundert im Besitz eines weiteren wichtigen schlesischen Uradelsgeschlechtes gewesen, der Herren von Pogarell. Ihm entstammte beispielsweise Preczlaw von Pogarell, der 1341 zum Breslauer Bischof gewählt worden war und bis zu seinem Tod 1376 die Geschicke dieses Bistums leitete.
1403 veräußerte Niklas von Pogarell das von seinen Eltern ererbte Dorf Giersdorf samt dem Kirchenlehen, der Scholtisei sowie der hohen und niederen Gerichtsbarkeit an zwei Brieger Bürger. Nach vielen Besitzwechseln im Lauf des 15. Jahrhunderts erwarb schließlich die Stadt Brieg 1515 die eine Hälfte und 1597 die andere Hälfte des Dorfes. 1936 veröffentlichte der Landwirt Traugott Geppert aus Giersdorf in den Brieger Heimatblättern eine Schilderung der Gemeinde Giersdorf vor 150 Jahren. Wie er schreibt, sei 1745 Christian Geppert Erb- und Gerichtsscholze in Giersdorf gewesen. Ob dies stimmt ist allerdings fraglich, denn laut Wolfram Gepperts Forschungsergebnissen ist er erst 1731 zur Welt gekommen. Vielmehr muss damals Christians Vater Michael Geppert das Schulzenamt in Giersdorf bekleidet haben. Dieser war 1695 als Sohn des Bauern und Gerichtsgeschworenen Michael Geppert in Groß-Jenkwitz geboren und hatte sich 1722 mit Margaretha Monzelin, der Tochter des Giersdorfer Schulzen, verheiratet. Nach dem Tod des Schwiegervaters mag er dessen Schulzenamt geerbt haben und starb 1771 auf seiner „Erbscholtisey“. Wann Christian Geppert die Nachfolge seines Vaters als Dorfschulze angetreten hat, ist nicht bekannt. Laut seines Sterbeeintrages in der Pfarrmatrikel von 1811 hatte er jedoch „sein Scholzenamt treulich verwaltet und besonders im 7-jährigen Kriege der Gemeinde großen Nutzen gestiftet“.
Noch 1844 befand sich die Erb- und Freischoltisei in Giersdorf in den Händen von Johann Friedrich Gephard, der sicherlich ebenfalls ein Nachkomme unseres Ahnherrn Michael Geppert gewesen ist. Am 20. April des genannten Jahres löste er die Grundherrschaft der Stadt Brieg über die genannte Erb- und Freischoltisei mit einer Zahlung von 441 Reichstalern, 19 Silbergroschen und 11 Pfennigen ab und wurde dadurch Eigentümer seines Besitzes. (AP Wroclaw I/1976)
Neben dem Erb- und Gerichtsscholzen gab es nach Traugott Gepperts Schilderung 1745 noch einen Bauern Christian Geppert, auf dessen Hof 1935 Karl Lehnert wohnte, das Anwesen, in dem 1745 der Dreschgärtner Georg Bergmann wohnte, gehörte 1935 Reinhold Geppert und der Autor selbst besaß das Haus des 1745 genannten Roboth-Häuslers Friedrich Geppert. Das einzige Opfer des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 aus Giersdorf war übrigens Hermann, der Sohn des Häuslers Gottlieb Geppert gewesen. 1785 bestand Giersdorf aus der Erbscholtisei, 19 robothen Bauern, 2 Freigärtnern, 13 robothen Gärtnern, 3 freien Angerhäuslern und 11 robothen Angerhäuslern. Ihre Fronleistungen hatten die Pflichtigen auf dem der Stadt Brieg gehörigen Vorwerk Briegischdorf abzuleisten. Der Grundbesitz des Erb- und Gerichtsschulzen bestand aus 3 Huben; die übrigen Bauern im Dorf mussten sich mit 2 Huben zufrieden geben. Um 1870 blühte übrigens in Giersdorf das Ziegelmacher-Handwerk auf. Fast jeder Bauer hatte Ackerstücke, wo ausgezeichneter Lehm zum Ziegelmachen vorhanden war und jeder ließ für sich selbst Feldziegeln herstellen. So wurden nach und nach die alten Holzhäuser im Dorf durch verputzte Ziegelbauten ersetzt, die bis heute das Ortsbild auch in vielen der umliegenden Ortschaften prägen.
 
 
Das Dorf, das uns allen als Herkunftsort unserer Familie am geläufigsten ist, ist Pampitz. Ähnlich wie bei den meisten Orten in der Umgebung, handelt es sich auch hier um ein typisch schlesisches Straßendorf. Von Brieg kommend führt die Ortsstraße nach Südwesten in Richtung Conradswaldau; die Häuser des Dorfes sind meist giebelständig zur Straße hin ausgerichtet. 1334 verkaufte Herzog Boleslaw III. von Brieg 9 ¾ Hufen in Pampicz an seinen Vasallen Peter Kosmatke. 1783 umfasste der zum Dorf Pampitz gehörige landwirtschaftlich genutzte Grund- und Boden 50 ½ Hufen, so das Peter Kosmatke damals rund 1/5 der späteren Pampitzer Ortsflur in seinen Händen hatte. Boleslaws Sohn, Ludwig I., erweiterte die alte Schlosskapelle in Brieg zur Schlosskirche St. Hedwig und gründete 1369 das aus 12 Kanonikern und 13 Vikaren bestehende Kollegiatsstift St. Hedwig, zu dem 1378 Czamborius von Pogarell 12 Zinshufen in Pampitz stiftete. Weitere 16 Hufen erwarb das Stift 1388 vom Krakauer Bürger Andreas Meylnaw. 1412 verzichtete Herzog Ludwig II. von Brieg schließlich auf sein Obereigentum und die ihm zustehende Gerichtsbarkeit über Pampitz zugunsten des Hedwigsstifts und übertrug ihm 1415 auch das Patronatsrecht über die dortige Kirche. Damit war Pampitz Eigengut des Brieger Hedwigsstifts geworden.
Am 10. April 1741 schlug Friedrich der Große auf den Feldern zwischen Pampitz und Mollwitz seine erste Schlacht im Schlesischen Krieg. Pampitz wurde dabei von den Österreichern angezündet. 1793 heiratete der 1769 als Sohn des dortigen Erb- und Gerichtsschulzen Christian Geppert in Giersdorf geborene Georg Friedrich Geppert die Witwe des Johann Friedrich Jensch in Pampitz und übernahm deren Hof. So war die Familie Geppert nach Pampitz gelangt.
Nach Richard Scholz's Pampitzer Chronik hatte das mit der Witwe Jentsch erheiratete Anwesen die Hausnummer 30 und bestand aus 2 robotpflichtigen Hufen. In der Schlacht bei Mollwitz war es eingeäschert und von Johann Friedrich Jentschs Vater, Friedrich Jentsch, 1748 wieder aufgebaut worden. Obwohl es sich bei diesem Anwesen nicht um die Erb- und Stiftsscholtisei Pampitz handelt – diese trug die Hausnummer 11 starb Georg Friedrich Geppert 1833 als Erb- und Gerichtsschulze in Pampitz. Spätestens jetzt übernahm der 1796 in Pampitz geborene Christian Gottlob Geppert das elterliche Anwesen. 1816 hatte sich dieser mit Beate Eleonore Scholz, einer Tochter von Daniel Scholz, verheiratet, die ihm den väterlichen Hof, Hausnummer 34 in Pampitz mit in die Ehe brachte. Dieser umfasste ebenfalls 2 robotpflichtige Hufen und es scheint, dass Christian Gottlob im Anwesen seiner Frau seinen Hausstand gründete, während Hausnummer 30 weiterhin von seinen Eltern Georg Friedrich und Maria Elisabeth Geppert bewohnt wurde.
Von ihm überliefert Wolfram Geppert den folgenden Satz aus der Pampitzer Sterbematrikel von 1866: „Es starb der Bauer und Erbschulze Christian Gottlob Gephard, oder Geppert, wie hierzulande die Leute sagen“.
Hausnummer 34 findet sich nun in den Händen des 1835 geborenen Gottlieb Geppert, der sich 1862 mit Rosina Caroline Schlosser verehelicht. Er war wohl der einzige überlebende Sohn aus Christian Gottlobs erster Ehe und erbte das elterliche Anwesen.
Das 1833 vom Großvater hinterlassene Anwesen Hausnummer 30 erbte der aus der zweiten Ehe Christian Gottlobs mit Maria Elisabeth Fischer stammende Traugott Geppert, der 1850 in Pampitz das Licht der Welt erblickt hatte. Allerdings verkaufte er es bald darauf an den aus Mollwitz stammenden Karl Körnig. Er verließ Pampitz und begründete die bis heute in Leipzig blühende Stadtlinie der Familie. Gottlieb Geppert starb 1898 in Pampitz. Seinen Hof dort erbte sein 1869 geborener jüngster Sohn Reinhold Geppert. Dessen älterer Bruder Adolf – geboren 1863 - war seit etwa 1905 in Schüttlau im Kreis Guhrau als Gutsverwalter für die von Frankenberg und Ludwigsdorf'sche Familienstiftung tätig.
 
 
Familie Reinhold Geppert in Pampitz 1931
Vorne von links: Pauline, geb. Krause mit Enkel Karl Hermann, deren Mann Reinhold sen., die unverheiratete Tochter Lisbeth.
Dahinter von links: Frieda, geb. Glemnitz, deren Mann Gerhard und dessen Bruder Reinhold jun.
 
Reinhold Geppert nun ist mein Urgroßvater. Seine Ehefrau war Pauline, geborene Krause. Sie schenkte ihm vier Kinder, darunter die beiden Söhne Gerhard – geboren 1903 – und Reinhold – geboren 1909. Gerhard – mein Großvater – ist, so weiß ich es von meiner Großmutter – als Baby vom Wickeltisch gefallen und hat sich dabei eine Verletzung an der Ferse zugezogen. Die gerissene Sehne wurde zwar mit „Katzendarm“ geflickt, doch behielt Großvater zeitlebens eine Gehbehinderung: Er hinkte.
Dies war der Grund, warum sein Vater die Entscheidung traf, dass er Lehrer werden sollte, während er den Pampitzer Hof seinem jüngeren Sohn Reinhold zu übergeben gedachte. Gerhard jedoch fühlte sich zur Landwirtschaft hingezogen und anstatt das Lehrerseminar zu besuchen, studierte er Agrarwirtschaft in Breslau.
Inzwischen hatte er die 1905 in Ohlau geborenen Frieda Glemnitz kennengelernt und 1929 in Pampitz geheiratet. Der elterliche Hof in Pampitz war ja dem jüngeren Bruder Reinhold versprochen oder vielleicht schon übergeben. Deshalb erwarb Gerhard Geppert 1937 für 44.000 Reichsmark eine aus dem zerschlagenen Rittergut Dammelwitz bei Ohlau gebildete Neubauernstelle und zog mit seiner Familie dort hin.
Das Anwesen Geppert in Dammelwitz umfasste - nach den von meiner Großmutter Frieda Geppert im Antrag auf Lastenausgleich gemachten Angaben - landwirtschaftliche Nutzflächen im Umfang von 21 Hektar. Davon entfielen 0,5 Hektar auf Haus- und Obstgärten und 0,5 Hektar auf Hofraum und Wege. Die restlichen 20 Hektar waren in der Regel mit Weizen, Zuckerrüben und Gemüse angebaut. Das Wohnhaus ist noch im Jahr des Erwerbs (1937) aufgestockt und umgebaut worden. Es hatte eine Grundfläche von 10 mal 19 Metern, umfasste das Parterre und ein Obergeschoss. Allerdings war die Wohnung im Obergeschoß an den Rentner Wilhelm Malitzke und dessen Frau Elisabeth vermietet. Zum Hof gehörten noch ein massiv errichteter Stall von 28 mal 10 Metern Grundfläche unter einem Ziegeldach, eine 12 mal 33 Meter große, massive Scheune mit Ziegeldach, ein Grünfuttersilo, 1 Hühnerstall und ein Kartoffelsilo. Neben dem Betriebsinhaber Gerhard Geppert und seiner Ehefrau Frieda, fanden auf dem Anwesen 5 weitere Menschen Lohn und Brot. In den Ställen standen vor der Vertreibung 10 Kühe, 3 tragende Kalben, 2 Zugochsen, 5 Kälber, 15 Schweine, 2 Schafe, 60 Hühner (weiße Wagandotten) und 5 Enten. An landwirtschaftlichen Geräten standen eine Dreschmaschine mit Reinigung, eine Strohpresse, eine Häckselmaschine, ein Getreidemähbinder, eine Sämaschine, ein Flügelmäher, 1 Grasmäher und 3 Pferdewagen zur Verfügung. Die Kraft in der Scheune lieferten zwei Elektromotoren.
Trotz seiner Gehbehinderung wurde mein Großvater im März 1944 zum Kriegsdienst einberufen. Meine Großmutter hat mir erzählt, dass ihr Mann – obwohl er Parteimitglied war – nach echter Geppert-Manier, mit seiner kritischen Meinung nicht hinter dem Berg hielt und dass er durch seine ertragssteigernden, modernen landwirtschaftlichen Methoden – schließlich war er ja studierter Ökonom – die neidischen Blicke gewisser Gemeindemitglieder auf sich gezogen habe, weshalb ihn auch seine Körperbehinderung nicht vor dem Kriegsdienst schützte. Am 17. Januar 1945 verliert sich im polnischen Litzmannstadt (Lódz) seine Spur. Zehn Tage später musste seine Frau Frieda Geppert zusammen mit ihren drei Kindern den Hof in Dammelwitz verlassen. Sie flohen zusammen mit den anderen Bewohnern des Dorfes vor der heranrückenden Roten Armee und fanden schließlich im fränkischen Marktleuthen eine neue Heimat.
Auch Reinhold – der Bruder meines Großvaters, der den Hof in Pampitz übernehmen sollte – ist im Krieg geblieben. Die Einwohner von Pampitz wurden am 25. Januar 1945 evakuiert. Urgroßvater Reinhold verbrachte seinen Lebensabend zusammen mit seiner Ehefrau Pauline und der unverheiratet gebliebenen Tochter Lisbeth auf der Iltismühle und in Isgier bei Vohenstrauß, wo er 1960 starb.

Harald Stark


Literatur:

Sigrid Göbel: Mein Leben begann in Schlesien, Bebra 2002
C. Grünhagen: Geschichte Schlesiens, Gotha 1884
Lutz Mackensen (Hrsg.): Deutsche Heimat ohne Deutsche, Braunschweig 1951
K. F. Schönwälder: Historische Ortsnachrichten von Brieg und seinen Umgebungen, Teil 1 & 2, Brieg 1847
K. F. Schönwälder: Die Piasten zum Briege oder Geschichte der Stadt und des Fürstentums Brieg, 3 Bde., Brieg 1855/56
Richard Scholz: Pampitzer Chronik, Briegische Heimatblätter Nr. 41 (1929), S. 163-164; Nr. 42, S. 167-168; Nr. 43, S. 171-172; Nr. 44, S. 175-176; Nr. 45, S. 179-180; Nr. 46, S. 183-184; Nr. 47, S. 187-188; Nr. 48, S. 191-192; Nr. 49, S. 195-196; Nr. 50, S. 199-200; Nr. 51, S. 203-204; Nr. 52, S. 207-208; Nr. 53, S. 211-212; Nr. 54, S. 215-216; Nr. 55, S. 219-220; Nr. 56, S. 223-224; Nr. 57, S. 227-228; Nr. 58 (1930), S. 231-232.
Franz Schroller: Schlesien – Eine Schilderung des Schlesierlandes, Glogau 1888
Fedor Sommer: Landeskunde Schlesien, Breslau 1913
Holger Tümmler (Hrsg.): Heimatatlas für die Provinz Schlesien, Augsburg 2008
Johannes Ziekursch: Hundert Jahre Schlesischer Agrargeschichte – Vom Hubertusburger Frieden bis zum Abschluss der Bauernbefreiung, Aalen 1978
Friedrich Albert Zimmermann: Beyträge zur Beschreibung von Schlesien, I. Band, Brieg 1783: Beschreibung des Briegischen Kreises als das fünfte Stück des ersten Bandes.
Schlesische Güteradreßbücher 1870-1937, Digitale Quellen zur schlesischen Kulturgeschichte, CD-Edition, Königswinter 2004