Es kommt mir so vor, als sei es gerade erst gestern
gewesen, dass ich nach den Dreharbeiten zur Fernsehsendung "Zauberhafte
Heimat" die Ehre hatte zusammen mit dem beliebten Sänger
und Moderator Gunther Emmerlich beim "Adler" in Burghaig
einzukehren. In froher Runde kamen wir gleich in ein angeregtes
Gespräch und die Doris servierte uns köstliche Kulmbacher
Bratwürste dazu. Nun hat der Burghaiger Traditionsgasthof
schon seit fünf Jahren geschlossen und niemand will sich
finden lassen, der das Juwel, das zu den schönsten Fachwerkhäusern
im Kulmbacher Land gehört, wachküssen möchte.
Wirtshaus schon 1466
Dabei kann der "Adler" auf eine wirklich
lange Wirtshaustradition zurückblicken, denn es handelt sich
bei ihm um die zum Schloss Burghaig gehörige "Schenkstatt",
die 1466 zum ersten Mal Erwähnung findet. Seit 1316 gehörte
das Schloss "ze dem Hauge" der Familie von Waldenfels.
1433 erhielt Albrecht von Waldenfels die "Behausung zum Haug"
mit allen ihren Zugehörungen für sich und seine fünf
Brüder zu Lehen. In dieser Urkunde ist von einem Wirtshaus
in Burghaig noch keine Rede. Als aber 1466 die Belehnung erneuert
wird, befindet sich auch eine "Schenkstatt" unter den
an Albrecht von Waldenfels und seine Brüder verliehenen Gütern.
1605 sah sich Georg Christoph von Waldenfels, seiner drückenden
Schuldenlast wegen, gezwungen, seinen Sitz in Burghaig zusammen
mit dem Schlösschen im Kulmbacher Grünwehr für
30.000 Gulden an Friedrich Hilderich von Varell zu verkaufen.
Dieser war als Kanzler des erst kurz zuvor an die Regierung gelangten
Markgrafen Christian ins Land gekommen.1) Unter den verkauften
Gütern befand sich auch die "Schenckstatt" zu Burghaig.
Nach dem damals an Varell übergebenen "Anschlag und
Erbregister über die Rittergüter Burckhaig und Grünwehr"
gehörte diese damals Hans Töpel, der dafür jedes
Vierteljahr einen ganzen rheinischen Goldgulden an seinen Lehensherrn
zinste und darüber hinaus jährlich noch eine Faßnachthenne
zu reichen hatte. Außerdem war der Wirt verpflichtet das
benötigte Bier und den Wein bei der Rittergutsherrschaft
zu kaufen. Nur wenn diese nichts entsprechendes vorrätig
hatte, durfte er sich anderweitig mit Getränken eindecken.
Eine Abgabe von 4 rheinischen Goldgulden im Jahr war für
die damalige Zeit enorm und zeugt von der guten Frequenz des Gasthauses
in der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg.
Verbrecher erhielten im Wirtshaus Asyl
Interessant ist auch der besondere Schutz, den flüchtige
Verbrecher im Burghaiger Wirtshaus genießen durften. Im
genannten Anschlag und Erbregister heißt es nämlich:"...do
auch malefiz persohnen deren orten betretten (werden), ist diese
Schenck des einfallens gefreuet, doch wird durch der Herrschaft
oder gerichts Knecht uff Begeren der Oberherrschaft Brandenburg
die malefiz persohn an gewißen stell und Malstadt geantwortet."
Wenn also jemand, der ein schweres - der Hochgerichtsbarkeit anheimfallendes
- Verbrechen begangen hatte, im Burghaiger Wirtshaus von seinen
Verfolgern entdeckt wurde, so durften ihn diese nicht einfach
verhaften und mitnehmen. Er wurde durch den örtlichen Gerichtsknecht
festgesetzt und erst auf besonderes Begehren der markgräflichen
Obergerichte an einer besonderen Örtlichkeit der landesherrlichen
Justiz ausgeliefert.2)
Friedrich Hilderich von Varell belehnte Hannß Vorschuß
mit der "Schenckstatt"; von 1605 bis 1623 ist dieser
in den Lehenbriefen als Wirt in Burghaig nachzuweisen. Nach dem
Dreißigjährigen Krieg wurde das Wirtshaus nicht mehr
als Lehen ausgegeben, sondern "vom Schloss verliehen und
verlegt", also gewissermaßen verpachtet. Erst 1736
ist in einem Lehenbrief wieder der Name des Wirtes genannt: "Item
ein Schenckstatt, worauff hiebevorn Hannß Vorschuß
und hernach Philipp Weiß gesessen, jezo aber ist selbe seit
einigen Jahren an Georg Precurn verpachtet."3)
1727 wollte der Kulmbacher Stadtvogt Georg Gottlieb Vulpius dem
Herrn von Varell die Schenk- und Braugerechtigkeit in Burghaig
streitig machen, indem er ihm vorwarf, dass er die erforderlichen
Konzessionen nicht vorweisen könne. Markgraf Georg Friedrich
Carl schob in einem Dekret vom 13. Januar 1728 diesem Tun seines
Beamten einen Riegel vor. Es heißt darin, "daß
dem Besitzer dasigen Ritterguths die Schenckstatt mit dem Bierverlag
besag bisheriger Lehenbriefe ordentlich verliehen und folglich
dergleichen dem von Varell mit Bestand keineswegs zu difficultieren
ist".4)
Das Rittergut Burghaig fällt heim
Georg Adam von Varell, der letzte männliche
Sproß seiner Familie, hatte mit einem großen Schuldenberg
zu kämpfen. Am 19. November 1753 berichtete der Kulmbacher
Amtshauptmann Johann Heinrich von Dobeneck, dass "dem Vernehmen
nach der Obrist von Varell zu Untersteinach sein zum Rittergut
Burghaig gehöriges Wirtshaus" für 3000 Gulden einem
Bauern namens Pöhlmann aus Höfstätten verkauft
haben soll. Schon zwei Tage später befahl Markgraf Friedrich
dem Kulmbacher Beamten dafür zu sorgen, dass Pöhlmann
den Kaufpreis nicht an Varell ausbezahle. Das Wirtshaus sei ein
mit dem Rittergut Burghaig verbundener Besitz und es könne
Varell, "als einen ohne männliche Descendenz stehenden
Vasallen", nicht gestattet werden solches einfach zu verkaufen.
In seinem Rechtfertigungsschreiben vom 13. Dezember 1753 legte
Georg Adam von Varell dar, dass die Schänke nicht unmittelbar
zum Rittergut Burghaig gehöre. Sein Vorfahr Friedrich Hilderich
von Varell habe sie erst 1608 von dem Bauern und Wirt Hanns Heinlein
in Burghaig erworben, weswegen er auch befugt sein müsse
diese wieder zu verkaufen. Daraufhin wurde der von Georg Adam
von Varell mit dem Bauern Johann Pöhlmann aus Höfstätten
geschlossene Kaufvertrag von Markgraf Friedrich anerkannt. Allerdings
verfügte der Landesherr, dass der Kaufpreis trotzdem einbehalten
und direkt an die Gläubiger Varells ausbezahlt werden solle.5)
Georg Adam von Varell starb am 6. November 1765 und wurde in Untersteinach
begraben. Das Rittergut Burghaig war damit dem Lehensherrn, Markgraf
Friedrich Christian, heimgefallen. Dieser fasste den Entschluss
dasselbe nicht erneut zu verleihen, sondern durch landesherrliche
Beamte verwalten - administrieren - zu lassen. So heißt
es in der um 1785 aufgezeichneten Partikulargüterbeschreibung
des Amtes Kulmbach, dass das Wirtshaus ein "vormalig adelich
Varellisches, nun zur Hochfürstl. Administration Burghaig"
gehöriges Lehen sei. Es befand sich damals noch in der Hand
des Wirtes Johann Pöhlmann und verfügte über ein
Mulz- und ein Brauhaus, nebst einem darunter befindlichen Keller
und einen eigenen Brunnen, einen Stadel am Main sowie ¾
Tagwerk Wiesen, unterhalb des Dorfes am Main gelegen.
Ein Wohn- und Wirthshaus, halb gemauert und halb
Fachwerk
Als 1811 die Daten für die Neuanlage des bayerischen
Häuser- und Rustikalkatasters erhoben wurden, umschrieb Johann
Nicolaus Schindhelm, Gastwirt in Burghaig, seinen Besitz folgendermaßen:
Ihm gehöre das Wohn- und Wirtshaus, Haus-Nr. 38 in Burghaig,
halb gemauert und halb aus Fachwerk, mit einem Mulzhaus, einem
Brauhaus und einem Stadel mit Holzremise. Neben dem vor dem Haus
befindlichen Gemüsegärtchen gehöre dazu nur noch
eine zweimädige, ¾ Tagwerk große Wiese, die
Stadelwiese genannt. Neben der Gastwirtschaftsgerechtigkeit verfüge
das Wirtshaus noch über die Brandweinbrennereigerechtigkeit
und das Recht Bier zu brauen und auszuschenken. Das mit 15 Gulden
und ¼ Kreuzer Erbzins sowie 15 Kreuzern Kammersteuer belastete
Wirtshaus hatte Schindhelm 1794 ererbt. Damals war es auf einen
Wert von 2150 Gulden taxiert worden.
Ferner gehörte Schindhelm noch ein 1794 zusammen mit dem
Wirtshaus ererbtes "unbezimmertes" - also nicht mit
Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehenes - Weinberg-Frongütlein
mit ½ Tagwerk Acker, ½ Tagwerk Obst- und Hopfengarten
und ? Tagwerk zweimädigen Wiesen, sowie ein von seiner Frau
in die Ehe eingebrachtes Trüpfhaus, Haus-Nr. 39.6)
Als 42 Jahre später der Grundsteuerkataster den alten Häuser-
und Rustikalkataster ablöste, war der Wirt Carl Hamm der
Eigentümer des Burghaiger Gasthauses. Er hatte es am 21.
April 1852 von Simon Hempfling um 3700 Gulden erworben. Hamms
Besitz wird im Grundsteuerkataster folgendermaßen beschrieben:
A. Ein Wirthsguth mit dem unter Pl.-Nr. 92 begriffenen
– zum unbezimmerten Güthlein gehörigen –
unausscheidbaren Objekt.
Pl.-Nr. 91 Wohnhaus (Hs.-Nr. 38) mit Stall, Keller, Bräuhaus,
Mulzhaus mit zwei Kellern, Holzlege, Brunnen und Hofraum. (Gebäude
0.35 Tagw.)
Pl.-Nr. 71 Scheune (Gebäude 0.04 Tagw.)
Pl.-Nr. 72 Stadelwiese (Wiese 0.93 Tagw.)
Pl.-Nr. 92a Gemüsgarten und (Garten 0.10 Tagw.)
Pl.-Nr. 92b Rasen mit Keller, der Gemüsgarten zum Theil zum
unbezimmerten Güthlein gehörig. (Garten 0.06 Tagw.)
B. Ein unbezimmertes Güthlein
Pl.-Nr. 317 Schwarzholz (Acker 0.84 Tagw.)
Pl.-Nr. 474 Störchenbröcklein (Wiese 0.48 Tagw.)
C. Walzender Besitz
Pl.-Nr. 133 Obstgarten, der Hopfengarten (Acker 1.79 Tagw.)7)
1857 erhielt das Gasthaus in Christiana Hempfling
eine neue Eigentümerin; sie hatte das Anwesen um 3700 Gulden
vom Vorbesitzer übernommen. Bald darauf verheiratete sich
Christiana Hempfling mit Wolfgang Pöhlmann. 1884 wurde das
Brauhaus modernisiert oder vielleicht ganz neu gebaut. Das Mulzhaus
verschwindet aus des Beschreibung des Anwesens. An seine Stelle
tritt ein Kühlschiff für die Brauerei. Unter der Scheune
auf Pl.-Nr. 71 wurde ein Eiskeller eingerichtet, außerdem
entstand ein eigenes Backhaus mit Stallung, wofür ein Teil
des Grasgartens Pl.-Nr. 93 weggemessen wurde. 1888 übernahm
der Sohn Johann Gottfried Pöhlmann das Wirtsanwesen um 15.000
Mark, wobei allein 5000 Mark auf das bewegliche Inventar entfielen.
Er stattete den Stadel 1893 mit einer Göppelhalle aus. Das
bisher übliche Dreschen mit dem Dreschflegel wurde zu dieser
Zeit allmählich durch den Einsatz mechanischer Dreschmaschinen
abgelöst. Wer es sich leisten konnte, kaufte sich eine solche
Dreschmaschine, die dann meist durch einen Pferdegöppel angetrieben
wurde.
Nach dem Tod Johann Gottfried Pöhlmanns im Mai 1908 führte
zunächst dessen Witwe Dorothea die Geschäfte, bis das
Wirtshaus am 29. Mai 1923 durch den Sohn Wolfgang Pöhlmann
übernommen wurde. Im Wertanschlag von 173.800 Mark spiegelt
sich die beginnende Hyperinflation dieses Jahres wieder. 1926
erfolgte ein Neubau des Stadels auf Pl.-Nr. 71. Zwei Jahre später
ließ Wolfgang Pöhlmann schließlich das Brauhaus
abbrechen und an seiner Stelle einen Tanzsaal errichten.8)
Bis 2007 war der "Gasthof zum Adler" in Burghaig eine
beliebte Einkehr für Gäste aus Nah und Fern. In der
Denkmalliste wird das Fachwerkhaus als "stattlicher zweigeschossiger
Walmdachbau über hohem Kellergeschoss, im Kern wohl 16./17.
Jahrhundert, Außenerscheinung 18. Jahrhundert" gewürdigt.
Am 8. Mai 2007 titelte die Bayerische Rundschau "Im »Adler«
bleibt die Küche kalt"; Differenzen zwischen Eigentümer
und Pächter der Gaststätte hatten von einem Tag auf
den anderen zur Einstellung des Wirtshausbetriebes geführt.
Im Winter 2010 ließ dann der strenge Frost die Heizkörper
in dem unbewohnten Gebäude platzen. Bisher sind alle Verkaufsverhandlungen
an den Preisvorstellungen der Eigentümer gescheitert.9 Bleibt
zu hoffen, dass sich bald möglichst ein finanzkräftiger
Investor findet, der wieder Leben in das traditionsreiche Gasthaus
bringt.
Harald Stark
Anmerkungen:
1) Otto Frhr. v. Waldenfels: Die Freiherrn von Waldenfels,
IV. Teil: Besitzgeschichte, Lichtenberg 1966, S. 15 f., 20 f.
2) Otto Frhr. v. Waldenfels, a.a.O., S. 402
3) StA. Bamberg, Markgraftum Brandenburg-Bayreuth, Lehenhof Nr.
1908: Acta des H. Obristen v. Varells zu Bamberg vorhabenden Verkauff
des zum Rittergut Burghaig besitzenden Wirthshauses betr., Ao.
1753.
4) StA. Bamberg, Markgraftum Brandenburg-Bayreuth, Lehenhof Nr.
1222: Acta, die Schenckstatt zu Burghaig betr., Ao. 1728.
5) StA. Bamberg, Markgraftum Brandenburg-Bayreuth, Lehenhof Nr.
1908
6) StA. Bamberg K 222, Nr. 35/I: Fassionen zum Häuser- und
Rustikalkataster, 1811 - No. 38 & 39 - Güterverzeichnis
des Johann Nicolaus Schindhelm, Gastwirt in Burghaig.
7) StA. Bamberg K 222, Nr. 38: Grundsteuerkataster der Steuergemeinde
Burghaig, 1853, S. 92
8) StA. Bamberg K 222, Nr. 42a: Umschreibheft zum Grundsteuerkataster
für Hs.-Nr. 38 in Burghaig.
9) Berichte in der Bayerischen Rundschau vom 08.05.2007, 09.05.2007,
06.11.2009 und 11.02.2012.
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