Baudenkmäler in Gefahr: Kulmbach, Fischergasse 22

In der Kulmbacher Fischergasse befindet sich ein außergewöhnliches Gebäude. Trotz seines verwahrlosten Äußeren, vermittelt es doch einen Abglanz bürgerlichen Wohlstands vergangener Jahrhunderte. Es handelt sich um ein stattliches Wohnhaus in vornehmen Renaissance-Gepräge. In Kulmbach gibt es - neben der Plassenburg - nur wenige Renaissancebauten von ähnlicher Qualität. Zu nennen wären das Burggut Oberhacken 38, das Burggut Waaggasse 5 oder das Stammhaus der bedeutenden Kaufmannsfamilie Gutteter, Obere Stadt 9. Auch das Haus in der Fischergasse mag sein schmuckes Äußeres einem reichen Kaufmann oder einem fürstlichen Beamten zu verdanken haben. Seit Jahren denke ich jedesmal, wenn ich daran vorbei fahre, was dieses Haus für ein Schmuckstück wäre, wenn es denkmalgerecht renoviert und genutzt werden würde.
Auch wenn ich noch nie einen Fuß durch das schöne, mit einem geflügelten Engelskopf, Rosetten und manieristischen Beschlagwerkornamenten geschmückte Renaissanceportal gesetzt habe, so verrät das Äußere des giebelständig zur Fischergasse hin errichteten Gebäudes und der Vergleich zu anderen, ähnlichen Gebäuden doch einiges über sein Innenleben. Im Erdgeschoss gelangt man wohl durch eine gewölbte Torgasse in einen hinter dem Haus gelegenen Hof mit Schuppen, Remise und Holzlege. An der Durchfahrt im Erdgeschoss liegen gewölbte Vorrats- und Wirtschaftsräume. Das reich profilierte Doppelfenster im ersten Obergeschoss weist auf einen größeren repräsentativen Raum, sozusagen die gute Stube des Hauses, wahrscheinlich mit einer Balken-Bohlen-Decke hin. Im zweiten Obergeschoss befanden sich dann Schlafkammern und weitere Wohnräume; die Fenster im verschieferten Giebeldreieck lassen einen zumindest teilweisen Ausbau des Dachbodens zu Schlafkammern für das Gesinde vermuten.
Nach diesen bei der äußeren Betrachtung angestellten Mutmaßungen, hielt ich es für an der Zeit, mich einmal mit der tatsächlichen Geschichte des Hauses auseinanderzusetzen. Die Unterlagen im Stadtarchiv Kulmbach und im Staatsarchiv Bamberg vermitteln einige Schlaglichter auf die interessante Vergangenheit des Anwesens:

Ein schwieriger Start nach Kulmbachs schwärzestem Tag

Nach der Katastrophe im Jahr 1554 erscheint der Seifensieder Conntz Drechssell 1560 erstmals als Besitzer dieses stadtlehenbaren Anwesens im zweiten Viertel der Vorstadt. Er hatte sich im hinteren Teil der Brandstätte eine kleine Wohnung errichtet; zum Wiederaufbau des zur Strasse hin gelegenen, rund 8,7 Meter breiten und 10,5 Meter langen Hauptgebäudes, hatte er bislang nicht die finanziellen Mittel gehabt.1)
1567 verkaufte Contz Drechssell das Anwesen an seinen Bruder, den Glaser Nickell Drechssell, welcher am 31. Juli dieses Jahres von Bürgermeister Erhart Löer mit dem zwischen Hannsen Ortleins und Erhart Eissers Häusern gelegenen Gebäude belehnt wurde.2) Nach dessen Tod am 14. Oktober 1581 war die Witwe Katharina Drechsel, geborene Kaufmann aus Lanzendorf, Besitzerin des Anwesens; im Stadtlehenbuch von 1597 erscheint ihr Vetter, der Schneider Hans Kaufmann, als Lehenträger der Witwe.
Die zahlreichen Erben der Witwe Katharina Drechsel veräußerten das Haus in der Fischergasse im Jahre 1613 an markgräflichen Kanzleibediensteten und Pfründeverwalter Samuel Hofmann. Da er das Kulmbacher Bürgerrecht nicht erwerben wollte mußte Samuel Hofmann einen Lehenträger bestellen, welcher die Garantie für die Leistung der mit der Belehnung verbundenen Abgaben und Pflichten übernehmen musste. So wurde der in der Wolfskehle ansässige Bürger Hans Ziegler als Lehenträger für Samuel Hofmann mit dem Anwesen belehnt. 1625 erscheint Hofmann dann als Fürstlich Brandenburgischer Kammerrat; er hatte ein Tagwerk Wiese am Haiger Weg und einen Stadel im Trenckmain erworben, die am 11. Juli des genannten Jahres durch den Amtsbürgermeister Peter Trautner an den Lehenträger Hans Ziegler verliehen wurden.

 

Bauherr war ein markgräflicher Kammerrat

Kammerrat Samuel Hofmann zählte zu den wohlhabenden Bürgern Kulmbachs. Im "Register über den angelegten Reutten- oder Quartier-Costen, wie auch vber die bewilligte Legations-Steuer zur Frist Walburgis Anno 1628 bey der Statt Culmbach" wurde sein Vermögen auf 800 Gulden veranschlagt. Die 5 Gulden Steuer, die er davon bezahlen sollte, wurden wieder gestrichen, da er wohl aufgrund seiner Stellung als Kammerrat von solchen Zahlungen befreit war.3) Er ist wahrscheinlich auch der Bauherr des Gebäudes Fischergasse 22 in seiner heutigen schmucken Form. Die Fassade weist jedenfalls eher auf eine Entstehung im frühen 17. Jahrhundert als in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts hin. Die späteren Steuerregister machen die finanziellen Folgen des Dreißigjährigen Krieges deutlich. Im Register über die "Neubewilligte Lehen Creutzer Steuer" aus den Jahren 1630 und 1631 findet sich Samuel Hoffmanns Witwe ebenfalls von der Abgabe befreit. Zu der 1634 von Generalwachtmeister Lamboy verlangten Kriegskontribution mussten Samuel Hoffmanns Erben 13 1/2 Reichstaler beitragen - ein nicht geringer Betrag! In der Steuerliste für die Reichskontribution von 1635 wurde das Vermögen von Samuel Hoffmanns Erben nur mehr auf 400 Gulden veranschlagt, wovon 6 Gulden Kontributionbeitrag entrichtet werden mussten.4)
Am 29. Januar 1649 wurde der Schwiegersohn des verstorbenen Kammerrats und Rentmeisters Samuel Hofmann, der Bürgermeister Hans Wolf Kellner, als Lehenträger der Witwe und Vormund der Kinder des Verstorbenen, von Amtsbürgermeister Friedrich Fugmann mit dem Haus in der Fischergasse, Hofmanns Anwesen in der Webergasse sowie mit der oben genannten Wiese und dem Stadel belehnt. In der noch am gleichen Tag vorgenommenen Erbteilung erhielt Samuel Hofmanns einziger Sohn, der fürstlich brandenburgische Lehenschreiber Hans Samuel Hoffmann das Haus seines Vaters in der Fischergasse. Bürgermeister Hans Wolf Kellner fungierte bei der Belehnung durch den genannten Amtsbürgermeister Fugmann als Lehensträger seines Schwagers. Hans Samuel Hofmanns Vermögen wurde 1645 mit 200 Gulden; 1648 mit 237 1/2 Gulden veranschlagt.
Nach dem Tode Hans Samuel Hofmanns erbte der Creußener Pfarrer Johann Leonhard Rinder das Haus in der Fischergasse. Dieser verkaufte es 1665 um 300 Gulden und 10 Reichstaler "Tranckgeld" an seinen Schwager, den "Secretarius" Johann Will. Dieser hatte im Vorjahr Ursula Rosina, die Tochter des Bürgermeisters Hans Wolf Kellner geheiratet und das Kulmbacher Bürgerrecht erworben. Am 10. Mai 1665 wurde ihm das Anwesen durch den Schwiegervater in dessen Funktion als Amtsbürgermeister verliehen. Lange hielt das Eheglück des jungen Paares allerdings nicht an; schon am 11. Dezember 1669 wurde Lorenz Walber, als Lehenträger der Witwe Rosina Will, mit dem Wohnhaus des Sekretärs Johann Will belehnt.5)
Nun reißt die Überlieferung für einige Jahrzehnte ab. Aus dem Ratsprotokoll vom 9. Dezember 1749 erfahren wir, dass die Witwe des Archivars Laurentius Schwalb, Rosina Catharina Schwalb, nach dem Tode des Bürgermeisters Mösch, den Büttnermeister Michael Conrad Türck zu ihrem neuen Lehenträger ernannt habe. Dieser wurde daraufhin mit einem Wohnhaus mit dahinter liegendem Garten in der Fischergasse sowie mit einem halben Tagwerk Wiese in der Pürwitscher Au belehnt. 1680 war Laurentius Schwalb als zweiter Archivar auf der Plassenburg angestellt worden. Im Jahre 1700 erwarb er, ebenso wie schon sein Vater, der fürstlich brandenburgische Lehenschreiber Simon Schwalb im Jahre 1667 und sein Großvater, der Kulmbacher Kastner Simon Schwalb d.Ä., das hiesige Bürgerrecht. Schon zwei Jahre später, 1702, verstarb er.6)
Nach dem Ableben der Witwe Schwalb erhielt ihr Sohn Johann Peter Schwalb am 6. September 1751 das väterliche Haus mit Garten "ob dem Hirschgraben". Das Anwesen in der Fischergasse fiel an Lorenz Albrecht Will, dem siebten Sohn des Hofrates Johann Albrecht Will in Bayreuth, welcher nach der Entrichtung von 1 Gulden und 25 Kreuzern Lehengebühr und der im Zuge desselben Aktes geschehenen Erwerbung des Bürgerrechtes, am 1. März 1753 mit demselben belehnt wurde.7)

Handwerker als neue Besitzer

1757 beabsichtigte Lorenz Albrecht Will sein "Wohnhaus in der Fischer-Gaßen" um 500 Gulden an den Pulvermacher Johann Georg Bonnewetsch, einem aus dem Württembergischen zugezogenen, der am 22. September dieses Jahres das Kulmbacher Bürgerrecht erworben hatte, zu verkaufen. Doch scheint dieser Kauf nicht zustande gekommen zu sein, denn am 6. Juli 1761 erwarb der Goldarbeiter Carl Gottfried Hübschmann aus Küps das Wohnhaus des abwesenden Lorenz Will samt Garten um 300 Gulden und 6 Gulden Leihkauf. 1769, am 18. September, war Carl Gottfried Hübschmann bereits verstorben, denn an diesem Tage erfolgte die Belehnung seiner Witwe Anna Elisabeth und seiner beiden Kinder mit dem Anwesen. Am 20. April 1780 veräusserte die Goldarbeiterswitwe Hübschmann ihren Besitz schließlich im 350 Gulden und 6 Conventionstaler Leihkauf an den Schuhmachermeister Nikolaus Hübner.8)
Kurze Zeit später wechselte das Haus erneut seinen Besitzer; Hübner, der das Anwesen scheinbar nur als Spekulationobjekt erworben hatte, veräußerte das Gebäude am 17. August 1780 um 385 Gulden und 6 Conventionstaler Leihkauf an den Metzgermeister Johann Caspar Pieger, der es am 27. Februar 1783 um 400 Gulden und 2 Conventionstaler Leihkauf an den Strumpfwirkermeister Johann Bernhard Frinzel weiterverkaufte. Von diesem erwarb der Hutmachermeister Johann Wilhelm Meusdoerfer das Wohnhaus Nr. 302 mit dem darunter liegenden Felsenkeller um 500 Gulden und 1 Carolin Leihkauf.9) Nach dem Urkataster des Jahres 1855 gehörte das Wohnhaus Nr. 279 mit Felsenkeller, Holzschlicht, Hofraum und Gemüsegarten dem Hutmachermeister Johann Nikolaus Meußdörfer, der es 1840 von seiner Mutter erworben hatte. Im Besitz von dessen Nachkommen blieb das Anwesen bis nach 1882.10)
Soviel zur Geschichte des Hauses. Bleibt zu wünschen, dass ihm sein heutiger Eigentümer bald wieder zu einem seiner wechselvollen Geschichte würdigen Aussehen und adäquater Nutzung verhilft. Die Kulmbacher und die Besucher der Stadt würden es ihm sicher danken.

Harald Stark

 
 
 
 
 

 

1) StA. Bamberg, Stb. 6533/2, fol. 15
2) StadtA. Kulmbach, Stb. 3, fol. 152
3) StadtA. Kulmbach I 43/32
4) StadtA. Kulmbach I 43/37, 38, 39
5) StadtA. Kulmbach, I 43/39, 42; Stb. 4, fol. 485; Kirchenbücher der Evang.-luth. Pfarrei St. Petri in Kulmbach; Wilhelm Lederer: Bürgerbuch der Stadt Kulmbach, Kulmbach 1967.
6) StadtA. Kulmbach, Stb. 59, fol. 200';Otto-Karl Tröger, Die Archive in Brandenburg-Ansbach-Bayreuth, Selb 1988, S. 73, 108; Lederer: Bürgerbuch
7) StadtA. Kulmbach, Stb. 60, fol. 68; Stb. 61, fol. 36
8) StadtA. Kulmbach, Stb. 62, fol. 78'; Stb. 63, fol. 60'; Stb. 66, fol. 99'; Stb. 70, fol. 76
9) StadtA. Kulmbach, Stb. 71, fol. 38; Stb. 86, fol. 160
10) StadtA. Kulmbach, Schlunds Häuserbuch zu Pl.-Nr. 481 u. 482