Baudenkmäler in Gefahr: Grünlas 6

Grünlas im Frankenwald

Das Gros der in der Denkmalliste eingetragenen bäuerlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäude im Frankenwald entstammt dem 19. Jahrhundert. Groß war deshalb meine Freude, als ich unter den Baudenkmälern der Gemeinde Grafengehaig, im Ortsteil Grünlas, ein aus dem späten 18. Jahrhundert stammendes Bauernhaus eingetragen fand: "Grünlas 6; 6a: Wohnstallhaus, eingeschossiger Satteldachbau, Sandsteinrahmungen, bez. 1788", so heißt es kurz im amtlichen Verzeichnis.
So war ich schon recht gespannt, als ich bei der Großrehmühle die von Marktleugast nach Grafengehaig führende Straße verließ, um nach kurzer Fahrt über den bewaldeten Talhang die Rodungsinsel des Dorfes Grünlas auf der Frankenwaldhochfläche zu erreichen. Die sich um die s-förmige Dorfstraße reihenden Anwesen machten an dem sonnigen Tag, an dem ich dem Ort einen Besuch abstattete, einen besonders gepflegten Eindruck. Der Anblick des gesuchten Anwesens brachte dann aber die Ernüchterung. Schon der Eintrag in der Denkmalliste, in dem ja die beiden Hausnummern 6 und 6a genannt werden, lässt auf ein geteiltes Anwesen schließen. Und während ich die Nordseite des längsgeteilten Wohnhauses - sie trägt die Hausnummer 6b - in gutem Zustand und mit einer noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden schönen Haustür antraf, war das Dach über dem Stallteil der südlichen Haushälfte bereits eingestürzt. Und auch der vis á vis des Wohnhauses gelegene Stadel liegt bereits in Trümmern. Es ist die Haustür der Südhälfte, deren Gewände die erwähnte Bezeichnung trägt. Die Inschrift lautet: Johannes Burger | 1788.


Zwischen Varell und Guttenberg

Bis 1765 gehörte der größere Teil von Grünlas, nämlich 6 Höfe, der Familie von Varell auf Untersteinach. 2 Höfe im Dorf, sowie zwei Trüpfhäuser und zwei Sölden in dem damals zur Grünlaser Ortsflur gehörigen Weiler Schindelwald, waren Eigentum der Freiherrn von Guttenberg. Die genannten 6 Höfe waren 1608 aus Guttenbergschem Besitz zusammen mit Untersteinach, einem Teil des Schlosses Guttenberg und dem Wale zu Triebenreuth an Friedrich Hilderich von Varell auf Burghaig verkauft worden. Dieser war 1603 zusammen mit Markgraf Christian aus der Mark Brandenburg ins Land gekommen und bekleidete das hohe Amt des markgräflichen Kanzlers. Nachdem 1765 mit Georg Adam von Varell der letzte seiner Familie im Untersteinacher Schloss für immer seine Augen geschlossen hatte, gelangte dessen Besitz wieder in Guttenbergsche Hände zurück.1)
1767 ließen die Brüder Philipp Anton, Carl Dietrich, Christoph Philipp und Franz Wilhelm Freiherrn von Guttenberg den vom Hochstift Bamberg erkauften und zu Rittermannlehen genommenen vormals Varellschen Besitz in einem umfangreichen, mit zahlreichen farbigen Übersichts- und Detailplänen versehenen Urbar- und Lehenbuch dokumentieren. Darin findet sich auch der älteste Ortsplan von Grünlas. Der uns hier interessierende Hof mit der heutigen Haus-Nummer 6 bzw. 6a ist darin mit dem Buchstaben "B" bezeichnet. Wie es in der dazugehörigen Beschreibung im Urbarbuch heißt, handelte es sich dabei um "ein Frohngut mit einem Hauß, Stadel und Nebengebäu mit 1 Morgen Hofraith und Garten". Insgesamt bebaute Johann Burger, der schon damals Besitzer des Anwesens war, 33 ? Morgen und 11 Ruthen Feld, Wiesen und Gehölz. Ein Morgen entspricht einer Fläche von 4600 Quadratmetern. Johann Burger war es - nach der Inschrift am Türgewände des Gebäudes - der das Wohnhaus des Anwesens 1788 neu errichten ließ. Am 16. Oktober 1805 übergab er es seinem Sohn Adam.2)

Der älteste bekannte Ortsplan von Grünlas wurde 1767 gefertigt. Er stammt aus dem Schlossarchiv Guttenberg und wird heute im Staatsarchiv Bamberg (G 67, B 304) verwahrt. Das heutige Anwesen Haus-Nr. 6 ist darauf mit dem Buchstaben "B" bezeichnet. Zeichnung von Roland Hermsdörfer nach dem Originalplan.
Als 1811 auch in dem inzwischen bayrisch gewordenen Grünlas die Erhebungen zur Berechnung der Rustikalsteuer liefen, gab Adam Burger an, dass er das Anwesen - einen halben Frohnhof - "1806 aus der väterlichen Erbschaft im Anschlag um 2500 fl. übernommen" habe, "mit Dreinschlag 1 paar Ochsen, 1 Kuh, 3 Schock langes und kurzes Stroh, 1 Claffter Heu, 2 Simra Erdäpfel". Seither sei aus dem Gut nichts verkauft worden; die Gebäude seien in gutem Zustand. Diese Gebäude bestanden damals in einem "Wohnhaus, ganz gemauert, ist No. 6, mit Stallung, Scheune, Schupfe, Backofen, Hofraith und ein Schorgärtlein". Das Anwesen war der Gutsherrschaft Guttenberg lehen- und zinsbar und war der Gerichtsbarkeit des Patrimonialgerichts Guttenberg unterworfen. Bei einem Besitzwechsel mussten 10 % des geschätzten Wertes als Handlohn an die Gutsherrschaft abgeführt werden. Starb der Lehensmann hatte der Erbe zusätzlich 5 % des Gutswertes als "Todtenfall" abführen. Die Besitzer des Anwesens leisteten den Guttenbergern ungemessene Handfron, wofür sie die "gewöhliche Kost und Lohn" erhielten. Außerdem lieferten sie den Getreide- und Schmalsaatzehnten. Der Blutzehnt jedoch war nicht hergebracht. Aus 200 Gulden Steuerfuß hatte Adam Burger 8 Gulden Steuern und 1 Gulden 22 2/7 Kreuzer Servis zu entrichten.3 )


Das Haus wird geteilt

1836 übergab Adam Burger das Anwesen seinen beiden Söhnen Johann senior und Johann junior. Dabei wurde das Wohnhaus der Länge nach geteilt. Johann Burger senior wurde Besitzer "der Morgenseite (= Ostseite) des in Hinsicht der Stube und Stallung, dann der darauf befindlichen Boeden excl. des obern Bodens, in dem hintern und vordern bestehend, horizontal getheilten 72 Schuh (= rund 21 m) langen und 34 Schuh (= rund 10 m) breiten Wohnhauses, welche ihren eigenen Eingang hat und wozu die darunter befindlichen 2 Keller gehören." Der Bruder Johann Burger junior erhielt die "die Abendseite (= Westseite) des bei der Johann Burger senior Haushälfte beschriebenen Hauses, welche ebenfalls einen eigenen Eingang hat und wozu die unter derselben befindlichen 2 Keller gehören." Der zum Hof gehörige Stadel wurde ebenfalls in eine West- und eine Ostseite geteilt; Backofen und Röhrenbrunnen blieben gemeinschaftlich. Jede Hälfte des Anwesens wurde auf einen Wert von 1250 fl. taxiert.4)
Während sich die Westseite, inzwischen mit der Hausnummer 6a bezeichnet, noch 1855 in den Händen des Bauern Johann Burger befand, hatte dessen Bruder seinen Anteil 1837 um 1161 fl. an den aus Weidmes stammenden Johann Rödel verkauft. Johann Burgers Besitz wird im 1855 erstellten Urkataster folgendermaßen beschrieben:

Ein Viertelshof:

Pl.-Nr. 14a Wohnhaus mit Keller u. Stall, Stadel und Hofraum 04,1 Ar
Pl.-Nr. 14b Grasgarten, das vordere Gärtchen 03,7 Ar
Pl.-Nr. 15 Wiese hinter dem Stadel 07,5 Ar
Pl.-Nr. 34 Heimatwiese 35,8 Ar
Pl.-Nr. 51 Breite Wiese 52,5 Ar
Pl.-Nr. 51 ½ Langer Stückacker 1 Ha 39,7 Ar
Pl.-Nr. 59 Steinfels (Waldung) 1 Ha 30,5 Ar
Pl.-Nr. 65 Bei der Lohmühle (Waldung) 1 Ha 20,6 Ar
Pl.-Nr. 100 Weisensteineggerten (Weide) 83,5 Ar
Pl.-Nr. 101 Weisensteinerwiese (Wiese) 80,1 Ar
Pl.-Nr. 113 Gartenacker 49,1 Ar
Pl.-Nr. 116 Langer Acker 1 Ha 64,6 Ar

Summe: 8 Ha 71,7 Ar

Johann Rödels Hofanteil (Haus-Nr. 6b) umfaßte:

Ein Viertelshof:

Pl.-Nr. 16 Wohnhaus mit Keller u. Stall, Stadel und Hofraum 02,4 Ar
Pl.-Nr. 17 Der Garten (Wiese) 12,6 Ar
Pl.-Nr. 35 Heimatwiese 32,7 Ar
Pl.-Nr. 49 Brunnrangen (Wiese) 31,0 Ar
Pl.-Nr. 50 Wiesenstückfeld (Acker) 94,4 Ar
Pl.-Nr. 64 Langes Holz (Waldung) 2 Ha 51,1 Ar
Pl.-Nr. 80 Der Berg (Waldung) 1 Ha 51,3 Ar
Pl.-Nr. 81 Am Berg (Acker) 54,9 Ar
Pl.-Nr. 98 Weisensteiner Eggerten (Wiese mit Weiher) 1 Ha 14,1 Ar
Pl.-Nr. 99 Weisensteiner Eggerten (Weide) 1 Ha 08,0 Ar
Pl.-Nr. 114 Gartenstück (Acker) 1 Ha 44,1 Ar
Pl.-Nr. 115 Lange Höhe (Acker) 87,6 Ar
Summe 10 Ha 84,2 Ar

Dazu gehörte noch jeweils das Gemeinderecht zu einem halben Nutzantheil an den noch unvertheilten Gemeindebesitzungen.5)

 

 

Haus-Nr. 6 b präsentiert sich in gutem Zustand
Bei Haus-Nr. 6 ist der Stallteil hingegen bereits eingestürzt

Johann Burgers Tochter Katharina brachte ihren Viertelshof 1863 in die Ehe mit Joseph Will ein und übergab ihn schließlich 1894 ihrem Sohn Andreas. Dieser errichtete 1907 eine neue Scheune und übergab das Anwesen 1932 seinem Sohn Johann Will. Die andere Haushälfte verkaufte Johann Rödel 1865 um 1700 fl. an den Weber Christoph Schübel, von dem sie 1902 wohl an seinen Sohn Johann Nicolaus Schübel gelangte. Auch dieser erbaute 1909 einen neuen Stadel und 1934 erfolgte ein weiterer Scheunenanbau. Bis 1951 blieb das Anwesen Grünlas 6b in den Händen der Familie Schübel.6)
Heute erscheint das Gebäude unbewohnt und ist zum Teil bereits eingestürzt. Es wäre schön, wenn dieses geschichtsträchtige alte Bauernhaus auch eine Chance für die Zukunft erhalten würde, doch ist es fraglich, ob darin wieder neues Leben einziehen wird.

 

Harald Stark

Quellen:


1) Hans Fick: Varell jetzt - und nimmermehr Varell! Ein friesisches Geschlecht in Franken, in: Aus der Fränkischen Heimat, Nr. 12/1959; Hellmut Kunstmann: Schloss Guttenberg und die früheren oberfränkischen Burgen des Geschlechts, Würzburg 1966, S. 164-167
2) StA. Bamberg G 67, Nr. 304, fol. 310r
3) StA. Bamberg K 234, Nr. 20, Lfd. No. 52
4) StA. Bamberg G 67, Nr. 304, fol. 310r
5) StA. Bamberg K 234, Nr. 89
6) StA. Bamberg K 234, Nr. 92