Bis zu diesem Frühjahr ist das
altersgraue Mauerwerk der idyllisch über dem Steinachtal gelegenen
Burg Nordeck ein beliebtes Wanderziel für Besucher aus Nah
und Fern gewesen. Wer dieser Tage zur Nordeck wandert, steht am
Aufstieg zur Burgruine vor einer hölzernen Absperrung mit dem
Hinweis "Ruinengelände wegen Einsturzgefahr gesperrt".
So titelte auch die Bayerische Rundschau in ihrer Ausgabe vom 15.
Mai dieses Jahres "Burgruine Nordeck ist einsturzgefährdet"
und berichtete, dass schon vor zwei Jahren Risse und Setzungen am
Gemäuer der Ruine festgestellt worden seien. Nach eingehender
Untersuchung der Schäden durch das Ingenieurbüro Burges
und Döring sei man zu der Erkenntnis gelangt, dass der Eigentümer
der Ruine, die Bayerischen Staatsforsten, für die Sicherheit
der Burgbesucher nicht mehr geradestehen könne, weswegen die
Sperrung des Geländes verfügt worden sei. Den Kostenaufwand
für die Bestandssicherung der Burgruine bezifferte der zuständige
Revierleiter Albin Schmidt auf mindestens 150.000 €. Die
Nordeck, eine salierzeitliche Burg?
Jüngste Forschungen, deren Ergebnisse 2001 im Buch zum 850.
Ersterwähnungsjubiläum von Stadtsteinach veröffentlicht
wurden, weisen auf eine Gründung der Burg durch ein edelfreies
Geschlecht von Nordeck im ausgehenden 10. Jahrhundert hin. Der
1104 verstorbene Timo von Nordeck war es, der nach Ansicht von
Johannes Mötsch, die Burg Nordeck mit einiger Wahrscheinlichkeit
begründet hat. Seine Ehefrau Hildegard war in erster Ehe
mit Poppo, dem Stammvater der Grafen von Henneberg, verheiratet
gewesen. Mit ihr zeugte Timo einen Sohn Gebhard. Da dieser jedoch
1115 kinderlos starb, erbte dessen Halbbruder, Graf Gotebold von
Henneberg, die Burg Nordeck mit ihrem Umgriff im Frankenwald.i
Schon 36 Jahre später, durch eine am 8. Juli 1151 ausgestellte
Urkunde, veräußerten Graf Berthold von Henneberg und
dessen Bruder, Burggraf Poppo von Würzburg, ihre Burg Nordecche
mit dem Markt und Eigengut Steinaha - dem heutigen Stadtsteinach
- an den Bischof Eberhard II. von Bamberg.1)
Damit hatte der Bischof einen wichtigen Stützpunkt im Kampf
gegen die den Ausbau des Hochstifts Bamberg hemmenden Grafen von
Dießen-Andechs gewonnen. Zunächst sicherten und verwalteten
bamberger Ministerialen, die sich nach ihrem Amtssitz von Nordeck
nannten, den bamberger Besitz im Frankenwald. Seit der Mitte des
14. Jahrhunderts sind dann Männer aus den verschiedensten
Adelsgeschlechtern als Amtleute auf Nordeck bezeugt.3) Schon vor
dem großen Hussiteneinfall von 1430 war die Nordeck von
einem Brandunglück betroffen gewesen, denn als Bischof und
Domkapitel 1427 Fritz Marschalk von Ebneth dort als Amtmann einsetzten,
war die Burg von Feuer zerstört und die Gebäude nicht
bewohnbar. Dem neuen Amtmann wurde aufgetragen 200 Gulden in die
Burg zu verbauen um sie wieder in bewohnbaren Zustand zu setzen.4)
Die allgemeinen Wirren zur Zeit der Hussitenkriege hatten die
auf der nahen Burg Wartenfels gesessenen Herren von Waldenfels
wohl dazu nutzen wollen, um sich nicht nur aus dem Vasallenverband
zum Bamberger Bischof zu lösen, sondern auch ihren Herrschaftsbereich
auf Kosten des Hochstifts Bamberg auszudehnen. Der Amtmann Friedrich
von Künßberg hatte seine Amtsburg Nordeck den Brüdern
Hans und Fritz von Waldenfels zu treuen Händen übergeben,
wahrscheinlich um selbst in den Krieg gegen die Hussiten ziehen
zu können. Die Waldenfelser dachten aber nicht daran, die
Burg wieder herauszugeben, weshalb sich Bischof Anton von Rotenhan
1439 gezwungen sah, "unsers Stifts Schloß Nordeck und
darzu Wartenfels mit dem Heerschild" einzunehmen.5) Dabei
erlitt die Burg Nordeck so große Schäden, dass Karl-Ludwig
Lippert 1964 im Kunstdenkmälerinventar des Landkreises Stadtsteinach
konstatierte: "[Dem] Wiederaufbau dürfte im wesentlichen
das äußere Mauerwerk der erhaltenen Teile angehören".6)
Dabei konnte Kai Thomas Platz bei seiner Begutachtung der Burgruine
durchaus auch älteres aufgehendes Mauerwerk feststellen und
zwar sowohl im Bereich des Bergfrieds, in dessen Gemäuer
sich mindestens drei Bauphasen abzeichnen, als auch im Bereich
der südlichen Ringmauer, die Füllmauerwerk in Fischgrättechnik
erkennen lässt.
Die heute erlebbare Ruine ist mit einer auf drei Seiten noch gut
erkennbaren Ringmauer umgeben; nur auf der über Felsen senkrecht
abfallenden Nordseite ist diese größtenteils verschwunden.
Von Westen führte der Zugang über eine doppelte Grabenanlage,
die beim Bau der Waldwirtschaftsstraße größtenteils
zerstört wurde, in die auf einem Bergsporn erbaute Burg.
An der Nordwestecke des Burgareals befindet sich noch der heute
völlig von Pflanzen umwucherte Sockel des ehemaligen Torhauses.
Diesem gegenüber, an der Südostecke des Burggeländes
befinden sich die Reste eines achteckigen Turmes, der die dem
Berg zugewandte Hauptangriffsseite zusätzlich zu decken hatte.
Darüber erhebt sich der noch immer imposante Stumpf des walzenförmigen
Bergfrieds, der die gefährdete Ostseite der Burg beherrschte.
Hinter demselben befanden sich ein wohl nicht sehr geräumiger
Innenhof und das Wohngebäude der Burg.
Was sich dem Besucher der gegenwärtigen Burgruine jedoch
nicht erschließt, ist die Tatsache, dass sich die Burg nach
Westen hin fortsetzte. Bei Kai Thomas Platz heißt es hierzu:
"Bei der Nordeck handelt es sich um eine sehr große
Burganlage mit drei voneinander getrennten Bereichen, die ehemals
den gesamten Bergsporn einnahmen. Die ältesten Baureste stammen
aus der Salierzeit. Es erscheint jedoch durchaus möglich,
dass die Anlage noch auf das 10. Jahrhundert zurückgeht".7)
Es hat den Anschein, als ob die westlichen Bereiche der Burg nach
den Zerstörungen von 1439 aufgegeben und nur der östlichste,
der gefährdeten Bergseite zugewandte Teil der Nordeck, wiederaufgebaut
worden wäre. Neue Erkenntnisse zum tatsächlichen Alter,
dem Umfang und die vielfältigen Schicksale der Burg Nordeck
und wohl auch des ganzen Stadtsteinacher Raumes im Mittelalter,
könnten nur durch längst fällige bauhistorische
und archäologische Untersuchungen gewonnen werden.
Das Ende kam im Bauernkrieg
Die sozialen Umwälzungen am Übergang vom Mittelalter
zur Neuzeit führten sowohl zu Auseinandersetzungen zwischen
der ihrem Niedergang entgegensehenden Ritterschaft und den immer
wohlhabender und mächtiger werdenden Städten und Fürsten,
als auch zu einem Aufbegehren der sich vor allem durch die adeligen
Rittergutsbesitzer, Amtmänner und die Geistlichkeit gegängelt
und bedrückt fühlenden Bauern und Einwohner der kleineren
Städte und Märkte. Eine Zerstörung der Burg Nordeck
während der Strafexpedition des Schwäbischen Bundes
gegen die Helfer des Raubritters Thomas von Absberg im Jahr 1523
konnte vom Bamberger Bischof gerade noch abgewendet werden. Immerhin
hatten die mit dem Amt Nordeck betrauten Herrn von Wildenstein
den Nürnberger Patrizier Balthasar Baumgartner für Thomas
von Absberg auf ihrer Amtsburg gefangen gehalten. Als aber zwei
Jahre später der Bauernkrieg ganz Mitteldeutschland und Franken
erschütterte, nahte auch für die Nordeck das Ende. Der
Amtmann Jörg von Wildenstein war nach Bamberg gerufen worden.
Die schwache und zudem führungslose Besatzung der Burg wird
den Stadtsteinachern, die im Mai 1525 vor ihre eigene Amtsburg
zogen, kaum Widerstand entgegengesetzt haben. Gemäß
der von den Aufrührern verbreiteten "Schlösserartikel",
wonach "auch schedliche schloss, wasserheuser, bevestigung,
daraus gemeinem mann bisher hohe merkliche beschwerung zugestanden
sein, eingeprochen und ausgeprant werden" sollten, fiel auch
die Burg Nordeck dem Volkszorn zum Opfer.8)
Nun wurde es still um den von der Steinach umflossenen Bergsporn.
Jahrhunderte lang mag das langsam vor sich hin bröckelnde
Gemäuer der alten Burg den Bauern aus der Umgebung als Steinbruch
gedient haben, bis man sich im 19. Jahrhundert - in der Zeit der
Romantik - erstmals wieder um den Erhalt der altersgrauen Ruine
kümmerte.9) Schon einmal, um 1930, musste der Zugang zur
Ruine wegen Baufälligkeit gesperrt werden. Es folgte eine
Generalsanierung im Jahr 1936 in deren Zuge der gesamte Bergsporn
freigeschnitten wurde. 1958 war es der Frankenwaldverein, der
20.000 DM investierte um den weiteren Verfall der Burgruine aufzuhalten.
Zuletzt wurden Mitte der 80er Jahre Sicherungsarbeiten an der
Nordeck durchgeführt.10)
Nun ist es wieder soweit, das Stadtsteinacher Wahrzeichen - so
wurde die Nordeck am 2. August 2012 in der Tagespresse bezeichnet
- muss saniert werden. Es soll so schnell als möglich wieder
begehbar werden. Wie der Leiter des Forstbetriebs Nordhalben sagt,
sollen die erforderlichen Arbeiten im Sommer 2013 beendet werden.
Man denkt sogar darüber nach, dem Bergfried ein Dach und
eine Aussichtsplattform aufzusetzen.11) Jedoch sollte man nichts
übers Knie brechen. Denn die anstehende Sanierung bietet
auch die Gelegenheit die Burgruine einmal bauhistorisch und archäologisch
untersuchen zu lassen. Dies wäre sicher lohnend und würde
sicherlich viele neue Erkenntnisse zur Geschichte der Nordeck
und ihres Umlandes ans Licht bringen.
Harald Stark |
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Anmerkungen:
1) Johannes Mötsch: Die Grafen von Henneberg und der Verkauf
von Stadtsteinach an das Hochstift Bamberg, in: Klaus Rupprecht
[Hrsg.]: 850 Jahre Stadtsteinach - Eine Amtsstadt im Spiegel der
Geschichte, Neustadt a. d. Aisch 2001, S. 36
2) Johannes Mötsch, a.a.O., S. 39 ff.
3) Klaus Rupprecht: Stadtsteinach - Stadt und Amtssitz im Hochstift
Bamberg, in: Klaus Rupprecht [Hrsg.]: 850 Jahre Stadtsteinach
- Eine Amtsstadt im Spiegel der Geschichte, Neustadt a. d. Aisch
2001, S.48, 53 ff.
4) Johann Looshorn: Die Geschichte des Bisthums Bamberg, IV. Bd.,
Bamberg 1900, S. 204
5) Otto Frhr. v. Waldenfels: Die Freiherrn von Waldenfels, Bd.
IV, Lichtenberg 1966, S. 61 f.
6) Karl Ludwig Lippert: Bayerische Kunstdenkmale, Bd. 20: Landkreis
Stadtsteinach, München 1964, S. 102
7) Kai Thomas Platz: Die Burgen Grünbürg und Nordeck.
Anmerkungen zu deren Alter und historischer Bedeutung aus archäologischer
Sicht, in: Klaus Rupprecht [Hrsg.]: 850 Jahre Stadtsteinach -
Eine Amtsstadt im Spiegel der Geschichte, Neustadt a. d. Aisch
2001, S. 27
8) Klaus Rupprecht: Stadtsteinach - Stadt und Amtssitz im Hochstift
Bamberg, in: Klaus Rupprecht [Hrsg.]: 850 Jahre Stadtsteinach
- Eine Amtsstadt im Spiegel der Geschichte, Neustadt a. d. Aisch
2001, S. 56 ff.
9) StA. Bamberg K 19, Nr. 5450: Burgruine Nordeck 1863 - 1938
10) Burgruine Nordeck ist in Gefahr - Pressebericht aus der Bayerischen
Rundschau vom 11. Mai 1984
11) Bekommt die Nordeck ein Dach? - Pressebericht aus der Bayerischen
Rundschau vom 2. August 2012
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