Es war im Jahr 1498, als Markgraf Friedrich II..
von Brandenburg-Kulmbach anlässlich der "guttenbergischen
Fehde" von seinem Hauptmann auf dem Gebirg, Kunz von Wirsberg,
und dem Kulmbacher Landschreiber Friedrich Penker eine "Anordnung
der Hohenwarthen oder Wachthürner in dem Marggrafhum Brandenburg
oberhalb deß Gebürgs" ausarbeiten ließ.
Seit Erlass dieser Anordnung wissen wir, dass das Land um Hof,
Wunsiedel, Bayreuth und Kulmbach mit einem ganzen Netz von Wachtürmen
überzogen war, die - in Kriegszeiten mit Wachen besetzt -
als Frühwarnsystem funktionierten und sicher damals schon
auf eine lange Tradition zurückblicken konnten. Die Warte
auf dem Schneeberg saß wie die Spinne im Zentrum des Netzes,
denn der Wachturm auf der höchsten Erhebung des Fichtelgebirges
(1051 m ü. NN) stand mit allen anderen Warten in Sichtverbindung.
Wichtig war aber sicher auch der Wachturm auf dem der Plassenburg
südlich vorgelagerten Rehberg (1498 "Rewtperk"
also Reutberg). Die umliegenden Höhenzüge verdeckten
nämlich dem Turmwächter der Plassenburg die Aussicht,
so dass dem Rehbergturm eine wichtige Aufgabe in der Überwachung
des Umlandes vor allem nach Süden und Osten zukam. Und da
die Plassenburg der Sitz der Landesregierung gewesen ist, war
dem Markgrafen viel daran gelegen, von Bedrohungen des Landes
frühzeitig in Kenntnis gesetzt zu werden. Dies geschah durch
die Feuerzeichen der Wächter auf dem Rehberg!
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Jahrhunderte lang blieb
diese Art des Vorwarnsystems bestehen; noch im 18. Jahrhundert
investierte man Geld in den baulichen Unterhalt der alten Warttürme.
Der Rehturm hingegen scheint schon zu Ende des 18. Jahrhunderts
weitgehend in Vergessenheit geraten zu sein, denn Jobst Christoph
Ernst von Reiche (1772 - 1833) rühmt in seinem 1796 erschienenen
Büchlein "Culmbach und Plassenburg" zwar die schöne
Aussicht von dem der Plassenburg vis á vis gelegenen Rehberg
auf "die tief unterliegende Welt", erwähnt das
altersgraue Gemäuer des Rehturms jedoch mit keinem Wort.
Dann allerdings widmete G. Fr. Schmidt - Mitglied des histor.
Vereins für Oberfranken - im Jahr 1879 dem "Warth- und
Signalthurm der vormaligen Feste Plassenburg auf dem Rehberg"
eine kleine Monographie, in der er vorzüglich den Kulmbacher
Verschönerungsverein lobte, der den Rehberg in den Jahren
1878 und 1879 durch die Anlage von Wegen bequemer zugänglich
gemacht und eine Reihe von Ruheplätzen und Aussichtspunkten
angelegt habe. "Im vorigen Jahre [1878] tauchte deshalb die
Idee zur Erbauung eines Aussichtsthurmes auf demselben auf, welche
vielseitig warmen Anklang fand. ... Den Anlaß zu diesem
Vorschlage gab vorzüglich die Ruine des Wartthurmes auf diesem
Berge, mit seiner wahrhaft überraschenden Fernsicht."
In der Tat findet sich im Protokollbuch des Verschönerungsvereins
Kulmbach anlässlich der Generalversammlung am 11. Mai 1878
ein erster Hinweis auf die geplante Wiederauferstehung der Rehturmes.
Der Bierbrauer Conrad Nützel spendete dem Verein den für
die damalige Zeit stattlichen Betrag von 100 Mark "unter
der Bedingung, daß diese Summe zur Erbauung eines Aussichtsthurmes
auf dem Rehberg verwendet werde." Überhaupt erwies sich
Conrad Nützel als die treibende Kraft hinter dem Rehturmbauprojekt.
Er rief den Rehturmverein ins Leben, den der Verschönerungsverein
mit einer jährlichen Spende von 20 Mark unterstützte.
1889 konnte dann endlich mit den langersehnten Bauarbeiten begonnen
werden. Die Presse berichtete: "Dank der Bemühungen
des Rehturmbaukomitees, dank der Opferwilligkeit unserer Stadtvertretung,
dank der Zuschüsse des Verschönerungsvereins und anderer
Naturfreunde, kann nunmehr ein Projekt zur Ausführung gelangen:
die Wiederauferbauung des Rehturms auf unserem herrlichen Rehberge.
Der Thurm soll eine Höhe von 30 Metern erhalten."
Der Verschönerungsverein stellte seinen Spendendauerauftrag
ein und unterstützte die laufenden Bauarbeiten mit 300 bzw.
500 Mark in den Jahren 1889 und 1890. Am 3. März 1891 verband
die Generalversammlung des Kulmbacher Verschönerungsvereins
einen weiteren Baukostenzuschuß von 200 Mark mit dem Wunsch,
"es möge im Laufe des Jahres die Treppe zum Rehturm
hergestellt werden".
Am 28. Juni 1891 war es dann soweit: Das Rehturm-Baukomitee übergab
"den aus seinen Trümmern zu einer schönen, äußerst
lohnenden Aussichtswarte wieder aufgebauten alten Signalthurm
der Öffentlichkeit zur Benutzung". Die Eröffnung
wurde mit einem Waldfest feierlich begangen. "Groß
und Klein, Reich und Arm kam in Bewegung und eilte in Schaaren
der lieblichen Bergeshöhe zu, wo das neugeschaffene Schaudichum
weit in das Land hinaus lugt." So heißt es in der Ausgabe
der Kulmbacher Nachrichten vom 29. Juni 1891. Der rechtskundige
Bürgermeister Flessa bezog sich in seiner Eröffnungsrede
auf die Schicksale der Rehbergwarte: "Im Jahre 1498 als Wart-
und Signalthurm errichtet, steht er heute in verjüngter Gestalt
vor unseren Augen! In jenen mittelalterlichen Zeiten war ihm die
Bestimmung beschieden, Leben und Gut der Kulmbacher Bürger
zu beschützen, indem mächtige Feuer auf seinen Zinnen
entfacht wurden, sobald feindliche Schaaren sich nahten. –
Der nagende Zahn der Zeit hatte aber im Laufe der Jahrhunderte
den Thurm theilweise zerbröckelt und Niemand dachte später
mehr daran, dem Zerfallen der Ruine Einhalt zu thun. Eine neue
Zeit war ja angebrochen, man brauchte den Rehthurm, den Signalthurm,
nicht mehr! Und doch, verehrte Festversammlung, es sollte dem
mißachteten Rehthurm noch lange nicht sein Grablied gesungen
sein. Eine rettende Hand bot sich ihm zur rechten Zeit, als vor
einigen Jahren eine naturbegeisterte Schaar von Männern zusammentrat
und beschloß, die unscheinbar gewordenen Reste des Rehthurmes
wieder zu dem zu gestalten, was er ehedem war. Sie haben ihre
Absicht auch erreicht, diese Wackeren. Der Rehthurm ist heute
wiederum zum Wahrzeichen der Stadt Kulmbach erstanden und weit
ragt er wieder hinein in das Frankenland, dem er von Alters her
gedient hat."
Acht Jahrzehnte später, war es wieder schlecht bestellt um
den Rehturm; 1972 musste er wegen Baufälligkeit gesperrt
werden. Im Außenmauerwerk hatten sich fünf bis sechs
Meter lange Risse gezeigt, die Treppen im Inneren waren beschädigt
und von den Zinnen der Turmkrone war ein Werkstein abgestürzt.
Am schlimmsten aber war das Ziegelgewölbe der Plattform durch
den Zahn der Zeit in Mitleidenschaft gezogen worden. Am 19. Juni
1975 titelte die Bayerische Rundschau "Stein aus der Krone
gebrochen" und berichtete, dass die Restaurierung des Turmes
zwar bereits für den städtischen Haushalt 1975 angemeldet
worden war, jedoch keine Geldmittel zur Verfügung gestellt
werden konnten. Wieder war es der Kulmbacher Verkehrs- und Verschönerungsverein,
der zu seinem 100jährigen Gründungsfest im Jahr 1976
die Bürgerinitiative "Rettet den Rehturm" ins Leben
rief. Bis Anfang 1977 hatte die Kulmbacher Bürgerschaft rund
35.000 DM für diese Initiative gespendet. Oberbürgermeister
Dr. Erich Stammberger und Landtagsabgeordneter Herbert Hofmann
sorgten gemeinsam dafür, dass für die Restaurierung
des historischen Bauwerks auch staatliche Zuschüsse flossen.
Nun konnte mit den Bauarbeiten begonnen werden. Ende September
1977 wurde der instandgesetzte Rehturm wieder der Öffentlichkeit
übergeben. Wie die Bayerische Rundschau am 28. September
des genannten Jahres berichtete, hatte die Sanierung rund 140.000
DM gekostet. Schon 1982 mussten jedoch erneut 20.000 DM in das
Bauwerk investiert werden, diesmal um vor allem Vandalismusschäden
zu beheben.
Leider war die früher viel gerühmte Aussicht vom Rehbergturm
im Lauf der letzten Jahrzehnte durch die immer höher werdenden
Bäume mehr und mehr beschnitten worden. Schließlich
konnte man selbst von der gegenüberliegenden Plassenburg
aus kaum noch den Zinnenkranz des Turmes sehen. 2009 versprach
die Kulmbacher Stadtförsterin Carmen Hombach Abhilfe zu schaffen
und den Turm in den nächsten zwei bis drei Jahren wieder
sichtbar zu machen. Sie ließ ihren Worten Taten folgen,
so dass der Rehturm heute wieder zu einer atemberaubenden Fernsicht
einläd.
Harald Stark
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