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Ein Besuch in Rugendorf
Das Rugendorfer Schloss |
Nähert man sich
dem am Fuß der Fränkischen Linie gelegenen Kirchdorf
Rugendorf aus südlicher Richtung, so sind es vor allem
die Kirche und ein unmittelbar neben derselben gelegenes,
aus unverputztem Bruchsteinmauerwerk bestehendes, außerordentlich
stattliches Gebäude mit einem steilen, mit roten Biberschwanzziegeln
gedeckten Dach. Wenn im vergangenen Dezember die Tagespresse
auch vom maroden Dach der "alten Zehntscheune neben der
Rugendorfer Kirche" berichtete, die "im Volksmund
Rugendorfer Schloss" bezeichnet wird, so handelt es sich
bei diesem ortsbildprägenden Gebäude doch um einen
ansehnlichen Herrensitz spätmittelalterlichen Gepräges.
Ähnliche Bauten sind - um nur einige Beispiele herauszugreifen
- das um 1500 entstandene Amtshaus in Kirchenlamitz, das im
Kern sicherlich noch ältere Schloss Thumsenreuth im oberpfälzischen
Landkreis Tirschenreuth, oder die wahrscheinlich im 14. Jahrhundert
entstandene Kemenate der Burg Stein im Ölschnitztal bei
Gefrees. Sicherlich hat auch das heute noch als weithin sichtbare
Ruine vorhandene Hauptgebäude der Burg Epprechtstein
im Fichtelgebirge ähnlich ausgesehen. |
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Rugendorf
aus südlicher Richtung |
Schon die ersten urkundlichen
Erwähnungen Rugendorfs im frühen 14. Jahrhundert
weisen auf die im Ort begüterten Adelsfamilien hin. 1316
erscheint Eberhard von Blassenberg mit zwei Äckern oder
Huben in Ruchendorf als Vasall des Bischofs Wulfing von Bamberg
und das Jahr 1317 sieht Richwin von Waldenfels im Besitz von
zwei Gütern dortselbst als Lehen der Grafen von Henneberg.
Die Waldenfelser müssen aber auch Eigenbesitz in Rugendorf
gehabt haben, denn als Heinrich v. Waldenfels 1354 eine Frühmesse
in Stadtsteinach stiftete, stattete er dieselbe mit einem
Gut zu Rugendorf aus, das weder von den Bamberger Bischöfen
noch von den Hennebergern zu Lehen ging. Schon 1363 bewohnten
die Brüder Albrecht, Hans und Eberhard v. Waldenfels
einen Edelsitz in Rugendorf und nannten sich davon "zu
Hinterberg gesessen". Nachdem dieser befestigte Sitz
Hinterberg um 1430 im Hussitenkrieg zerstört worden war,
veräußerten die Waldenfelser das "Wale zu
Hinterberg" an die Herren von Redwitz und diese wiederum
an die v. Guttenberg.
Von ihrem Stammvater, dem oben erwähnten Eberhard von
Blassenberg, hatten die Guttenberger bereits Besitz in Rugendorf
hergebracht, den sie nun durch den Erwerb der zum Gut Hinterberg
gehörigen Besitztümer abzurunden verstanden. 1464
gab Bischof Georg von Bamberg fünf Höfe, eine Mühle
und einen Weiher in Rugendorf, drei Berge Holz und den Wal
Hinterberg, sowie 1 Hof in Zettlitz an Heinz v. Guttenberg
zu Lehen. Bei dem Wale Hinterberg handelt sich um den Turmhügel
"Wallteich", 50 Meter nordöstlich der Hinterberger
Mühle am "Katzengraben" (Pl.-Nr. 1062).
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In den 30er Jahren
des 16. Jahrhunderts versuchte Georg von Waldenfels, aus der
Burghaiger Linie seines Geschlechts stammend, den Familienbesitz
in Rugendorf in seiner Hand zu vereinigen. Um 1555 zählte
er in Rugendorf 20 Hintersassen. Da 1553, als Kulmbach von
Bundesständischen Truppen angegriffen wurde, sein bisheriger
Wohnsitz Burghaig und auch das ihm gehörende Schlösschen
im Grünwehr, in Flammen aufgegangen waren, fasste Georg
den Entschluss an Stelle eines bisher als Lehen ausgegebenen
Wohnhauses in Rugendorf, einen Rittersitz zu errichten. Er
starb am 11. August 1559 und fand in der Kulmbacher Petrikirche
seine letzte Ruhestätte. Das Rugendorfer Schloss wurde
von seinen Söhnen Hans Kaspar und Heinrich, die in den
Urkunden meistens als "zu Rugendorf" bezeichnet
werden, bewohnt. Diese überlebten ihren Vater jedoch
nicht lange; Hans Kaspar starb am 14. September 1561 in Burghaig.
Auch er wurde in der Kulmbacher Petrikirche begraben, der
stark beschädigte Wappengrabstein, der im Chor der Rugendorfer
Kirche eingemauert ist, erinnert an ein fünfjähriges
Kind gleichen Namens. Sein Bruder Heinrich folgte ihm am 6.
Januar 1562 und wurde in Rugendorf begraben, wo noch ein prächtiger
Grabstein an ihn ihn und seine Ehefrau Katharina, geb. v.
Rabenstein, erinnert. Nun fiel Rugendorf an den jüngsten
Sohn Georgs, Hans Karl, der jedoch nicht im hiesigen Schloss,
sondern wohl hauptsächlich in Kulmbach gewohnt hat, wo
er das Schlösschen im Grünwehr wieder aufbauen ließ.
Hans Karl starb im November 1587 im Grünwehr. Von seinen
Söhnen nahm Rudolf seinen Wohnsitz im Rugendorfer Schloss.
Er war es, der die Wappen seiner Vorfahren und die der Ahnen
seiner Frau Sophia Ursula von Rothenhan, an die Herrschaftsempore
im Chor der Rugendorfer Kirche malen ließ.
Ein Jahr vor seinem Tod, sah sich Rudolf v. Waldenfels wegen
seiner drückenden Schuldenlast gezwungen, seinen Rugendorfer
Besitz an den Bischof Johann Georg II. von Bamberg zu verkaufen.
Die entsprechende Urkunde wurde am 17. Juli 1628 ausgefertigt.
Der Kaufpreis belief sich auf 30.000 Gulden. Nur das Einsetzungsrecht
für die Rugendorfer Pfarrstelle hatte Rudolf seiner Familie
vorbehalten. Die Verwaltung des Rittergutes wurde nun dem
bischöflichen Amt Wartenfels unterstellt. Das Rugendorfer
Schloss diente nun nicht mehr als standesgemäßer
Wohnsitz eines Adeligen oder zumindest Beamten, sondern sank
zur Zehntscheune herab. Zum Rittergut Rugendorf gehörten
damals 5 Höfe, 2 Hofstätten, 2 halbe Höfe,
17 Güter und Gütlein, 1 Tropfhaus, 2 Wirtshäuser,
1 Brauhaus, 1 Ziegelei, 1 Schmiede, die Badstube und ein Jägerhaus,
das nach 1806 zum Pfarrhaus adaptiert wurde. Die Naturalabgaben
dieser "Hintersassen" wurden im "Kastenboden",
also dem alten Schloss, gesammelt und aufbewahrt. 1727 erneuerte
man den fast 10 Meter hohen Dachstuhl; im Inneren des Gebäudes
wurden Getreideschüttböden eingezogen.
Die Säkularisierung brachte 1810 den Übergang des
Schlosses in bürgerliche Hände; die Innenräume
wurden in einzelne Wohnungen abgeteilt. 1855 erwarb die Pfarrstiftung
Rugendorf die größere Hälfte des Schlosses
mit einem Teil des davor liegenden Grasgartens für gerade
einmal 31 Gulden und 59 ¾ Kreuzer. 1958 wurde das sowieso
baufällige Schlossdach durch einen Sturm schwer beschädigt
und danach durchgreifend saniert. Nun, nach über fünf
Jahrzehnten, ist das riesige Schlossdach wieder vom Einsturz
bedroht.
Im Inneren des Schlosses
Am 25. Februar 2012 hat der Nordoberfränkische Verein
für Natur-, Geschichts- und Landeskunde e. V. in Hof
zu einer Begehung des Schlosses in Rugendorf eingeladen.
Man betritt das Gebäude durch ein gerade noch spitzbogig
zu nennendes Portal mit einfach abgefastem Sandsteingewände.
Das Erdgeschoss enthält vier geräumige kreuzgratgewölbte
Vorratsräume, die von einem zentralen, ebenfalls mit
Kreuzgratgewölben geschlossenen Hausplatz zugänglich
sind. Im hinteren Bereich des Hausplatzes befindet sich
ein vermauerter Zugang zu einem unter den nördlichen
Vorratsgewölben liegenden Keller, der später durch
einen Eingang von außen erschlossen wurde, gegenwärtig
aber nicht mehr zugänglich ist. Die Türgewände
zu den Vorratsgewölben im Südwesten und Nordwesten
sind neuzeitlich vergrößert und nun stichbogig
geschlossen; die beiden anderen Vorratsgewölbe haben
noch ihre bauzeitlich gewändeten Zugänge. Im südwestlichen
Vorratsraum konnte ein Teil der ursprünglichen Bodenpflasterung
unter dem dort eingebrachten Schotter freigekehrt werden.
Eine teilweise durch das Gewölbe gebrochene zweischenkelige
Treppe führt in das Obergeschoss; im Bereich des Durchbruches
ist noch der abgerundete Teil des früheren Wendeltreppenaufganges
sichtbar. Die Räume im 1. Obergeschoß sind größtenteils
bewohnt und waren deshalb nicht zugänglich.
Auch hier liegen sie zu Seiten eines zentralen Hausplatzes,
von dem eine einschenkelige Treppe in das 2. Obergeschoß
hinaufführt. Die um den Hausplatz herum angeordneten
Stuben sind, ebenso wie im 1. Obergeschoß flach gedeckt.
Die genaue Beschaffenheit der auf Holzunterzügen ruhenden
verputzten Decken konnte jedoch nicht untersucht werden. In
den Fluren des 1. und 2. Obergeschosses befinden sich von
Unterzügen zusätzlich unterfangene Balken-Bohlen-Decken.
In den Nischen der Stubenfenstern sind teilweise bauzeitliche
steinerne Sitzbänke erhalten. Die heute zu Nischen vermauerten
Durchgänge in der Westwand der beiden nach dieser Richtung
gelegenen Zimmer führten ursprünglich wahrscheinlich
zu Aborten. Auch im Flur ist ein vermauerter Durchgang nach
Westen vorhanden, der vielleicht auf einen überlieferten
Gang zur Herrschaftsempore der Kirche geführt haben könnte.
Harald Stark
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Der
stark beschädigte Grabstein des fünfjährigen
Hans Caspars v. Waldenfels befindet sich hinter dem Altar
der Rugendorfer Kirche. Der obere Teil mit dem Sterbedatum
ist abgebrochen. Von der Umschrift ist zu lesen: IST IN
GOTT VERSCHIDEN DER EDEL HANS CA (spar von Waldenfels starb
seines A)LTERS 5 IAR DEM GOT ... |
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Auch das Grabmal für Heinrich v.
Waldenfels und seine Ehefrau Katharina befindet sich in
der Kirche zu Rugendorf. Die Inschrift auf dem rundbogigen
Aufsatz lautet: Nach Christi Geburt 1562 Jahr am Tag trium
regum in der Nacht zwischen 8 und 9 Uhr ist verschieden
der edel und ehrenvest Heinrich von Waldenfels dem Gott
wolle eine fröhliche Auferstehung verleihen, seines
Alters (Lücke). Nach Christi Geburg 1562 Jar Monat
nach dem heil. Christtag gegen den Abend zwischen 5 und
6 ist in Gott verschieden die edle und tugendsame Katharina
eheliche Hausfrau Heinrich von Waldenfels geb. v. Rabenstein,
der Gott genad. - Auf dem Stein sind folgende Familienwappen
abgebildet: Links: Waldenfels -
Giech - Laineck - Benewitz
Rechts: Rabenstein v. Döhlau - Schirnding - Fuchs
- Streitberg
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Literatur:
R. Bauriedel &R. Konrad: Mittelalterliche
Befestigungen und adelige Ansitze im Landkreis Kulmbach, Kulmbach
2010
Alfons Finger: Der Zehntstadel der Waldenfelser
in Rugendorf, in: Aus der Fränkischen Heimat, Beilage zur
"Bayerischen Rundschau" (Kulmbach), Nr. 11 (Dez,) 1954
E. Frh. v. Guttenberg & H. H. Hofmann:
Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken, Heft 2: Stadtsteinach,
München 1953
Philipp Kohlmann: 600 Jahre Kirche Rugendorf,
Rugendorf 1950
Karl-Ludwig Lippert: Bayerische Kunstdenkmale
- Landkreis Stadtsteinach, München 1964
Wilhelm Malter: Oberfranken Ost - Landschaft,
Geschichte, Kultur, Kunst, Nürnberg 1967
Otto Frhr. v. Waldenfels: Die Freiherrn
von Waldenfels, Teil II & IV, München & Lichtenberg
1959 - 1966 |
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