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Schloss Thurnau im Mittelalter
Das Schloss Thurnau zählt mit
einer Fläche von rund 5.500 m² zu den größten
Schlossanlagen in Franken. Besonders interessant wird es zudem
dadurch, dass es sich um keinen einheitlichen Bau handelt. Ein
Konglomerat von Bauten aus dem 13. bis in das 18. Jahrhundert
hinein fügt sich zu einem durchaus harmonischen Ganzen zusammen.
Wohl aus den Händen der edelfreien Walpoten, deren Stern
seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert im Sinken begriffen war und
schließlich zwischen den sich ausdehnenden und festigenden
Territorien des Hochstifts Bamberg und der Herzöge von Andechs-Meranien
zermalmt wurde, gelangte Thurnau an die aus der Andechser Ministerialität
erwachsene Familie Förtsch. Diese nannte sich seit 1182 nach
dem nahen Menchau und war damit in die unmittelbare Nachbarschaft
Thurnaus gerückt. 1239 erscheint schließlich Eberhard
Forsco als zu Turnowa gesessen. In Thurnau besaßen die Förtsche
zwei Burganlagen: Das auf einem Felsen über dem sumpfigen
Tal des Aubaches errichtete huz uf dem stein (Haus auf dem Stein)
und das östlich oberhalb der Kirche am Seidelsberg gelegene
huz samt dem Turm. Während letzteres 1288 bzw. 1292 ein Lehen
des Bamberger Bischofs geworden war, blieb das huz uf dem stein
Eigengut der Förtsche. |
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Schloss Thurnau vom Schlossweiher
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Das „huz uf dem stein“ - die Ursprünge der
Kemenate reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück
Den Kern des heutigen Schlosses Thurnau bildet denn auch dieses
huz uf dem stein – die heutige Kemenate. Dabei reicht
das mittelalterliche Mauerwerk bis in das dritte Obergeschoss
der Kemenate hinauf. Dort sind an der nach Osten gerichteten
Fassade zwei später teilweise vermauerte und zu kleineren
rechteckigen Fenstern umgestaltete rundbogige Biforenfenster
zu sehen, die wohl noch auf die spätromanische Stilepoche
hinweisen. Wie die Umgebung der Kemenate im Mittelalter aussah,
lässt sich anhand der bisherigen Befunde nur vermuten.
Der felsige Untergrund bot in westlicher Richtung – zum
sumpfigen Aubachtal hin – Platz für einen ummauerten
Burghof, den heutigen unteren Schloßhof. Im westlichen
Teil der nach Norden gerichteten Außenmauer des Nordflügels
am unteren Schlosshof hat sich ein Rest der romanischen Ringmauer
erhalten, in der sich noch die westliche Leibung des romanischen
Burgtores befindet. Dieses vermittelte, gedeckt von einem viereckigen
– durchaus als Bergfried anzusprechenden – Turm,
dessen Stumpf von Norbert Hübsch im Grundriss des Nordflügels
entdeckt wurde, den Zugang in den Burghof vom heutigen Marktplatz
her.
Den westlichen Abschluss dieses Burghofs bildete ein bei archäologischen
Untersuchungen 2011 entdeckter, wenige Meter östlich der
Fassade des Künsbergflügels quer unter dem unteren
Schlosshof verlaufender Mauerzug, der an den oben erwähnten
viereckigen Bergfried stumpf anstößt. Das Gelände
westlich dieser Mauer war damals noch ein sumpfiges, vom Aubach
durchflossenes Tal. Die Fundamente des 1675 entstandenen Künsbergflügels
reichen rund 7 Meter in den Untergrund hinab und ruhen dort
teilweise auf Holzrosten. Wahrscheinlich war diese im 13. Jahrhundert
entstandene Burg auf allen Seiten von einem Graben umgeben,
der aber vielleicht auch zum sumpfigen Aubachtal hin auslief.
Fest steht, dass es südlich von Kemenate und Storchenbau
einmal einen Graben gegeben hat, der später als Baugrube
für einen langgestreckten tonnengewölbten Keller diente.
Dieser erstreckt sich heute unter dem oberen Schlosshof vom
Torhaus bis zum Fundament des Carl-Maximiliansbaues.
Bei den genannten archäologischen Untersuchungen im Jahr
2011 wurde im Inneren des Künsbergflügels eine zu
dem im unteren Schlosshof freigelegten Mauerzug in 4,70 Metern
Entfernung parallel verlaufende zweite Mauer entdeckt. Der Archäologe
Hartmut Endres interpretiert die beiden Mauerzüge als die
Außenmauern eines Vorgängerbaus des heutigen Künsbergflügels.Über
die Innenbebauung des Burghofs westlich der Kemenate könnten
nur weitere archäologische Ausgrabungen neue Erkenntnisse
bringen.
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In der 3. Etage der Kemenate
sind Überreste romanischer Kuppelfenster erkennbar |
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Die Vorburg oder der
heutige obere Schlosshof
Der obere Schlosshof mag aus einer Vorburg hervorgegangen sein,
deren Entstehungszeit allerdings im Dunkeln liegt. Auf jeden Fall
ist der westlich der Kemenate gelegene Burghof älter, denn
nach dem Bau der sich nach Süden erstreckenden Vorburg wurde
das alte Tor, welches von Norden in die Kernburg führte,
zugunsten des Tores im Bereich des heute sogenannten Storchenbaues
aufgegeben. Auf welchem Wege man ursprünglich in den oberen
Schlosshof gelangte, ist leider ungeklärt; das heutige Torhaus
entstand jedenfalls erst später, als der die beiden Burghöfe
voneinander trennende Graben schon nicht mehr existierte. Der
Weiße Turm und der Centturm mögen die ältesten
erhaltenen Gebäude im Bereich des oberen Schlosshofes sein.
Carl Graf von Giech berichtet von einem Besuch des Vorstands der
Kunst- und Altertumssammlungen des Germanischen Nationalmuseums,
Dr. Johann Ludolf August von Ey, im Juli 1857. Dieser bemerkte,
„daß Bogen und Gewölbe des Bibliothekszimmers
im weißen Thurm1 älter sind, als das oben im Gewölbe
angebrachte Wappen, das Giechische, welches erst nach 1564, dem
Anfall von Thurnau, angebracht worden seyn kann“. Er meinte,
der Bogen könnte der Eingang in eine Kapelle gewesen sein.
Jedenfalls war Dr. von Ey „überrascht von der Schönheit
des Bogens und fand auch das Gewölbe sehr interessant“.
Bei dem fraglichen Bogen handelt es sich um großes spitzbogiges
und mit aufwändigen spätgotischen Profilen versehenes
Werksteingewände, das den Zugang von der 2. Etage des Hans-Georgenbaus
in das Innere des Weißen Turms vermittelt. Es entstand wohl
im späten 15. Jahrhundert, als die Räume des bisher
mutmaßlich als Wehrturm freistehenden Weißen Turms
mit dem Innenleben eines hier neu entstandenen Wohngebäudes
verbunden wurden.
Den „Störch-, ietzo aber renovirten Cent-Thurn“
hielt man früher für das „erste und älteste
Gebäude“ im Bereich des Schlosses, der ihm auch seinen
Namen „Turm in der Au“ gegeben habe. Dies sei nicht
nur wegen der uralten Tradition dieser Überlieferung, sondern
auch wegen des „Alterthumb(s) dieses Thurns, ehe derselbige
in den iezig veränderten Stand gesezet und, da er vorhero
nur ein schlechtes viereckigtes Ziegeltach gehabt, (nun) mit einer
Welschen Haube von Schiefer bedecket, auch sonsten mercklich verändert
worden (sei)“, glaubhaft. Er war erst 1686 zusammen mit
dem „Alten Stall“ durch Christian Carl von Giech aus
künsbergischem Besitz erworben und 1704 zu einem Centturm,
also gewissermaßen Gerichtsturm, umgebaut worden. Mit dem
Wort „Cent“ bezeichnete man früher nämlich
die Gerichtsbarkeit. Der Zutritt zum Centturm, in dem sich Gefängnisse
befanden, erfolgte jetzt von außerhalb des Schlosses; davor
wurde die neue Fronveste oder Büttelei als Wohnung des Amtsknechts
errichtet, das heutige „Henkershäuschen“.
In einem Bericht vom 12. November 1853 liefert Carl Graf von Giech
einen weiteren Hinweis auf die Vorgängerbebauung der Vorburg
im Bereich des heutigen Hans-Georgenbaues: „Im November
wurde die Stallstube5 neben dem Stall (als Knaben durften wir
sie nicht betreten und Hermann, der es doch tat, bekam von unserem
Vater eine tüchtige Ohrfeige) repariert. Da fand sich gegen
den Stall zu ein durch Anwurf verborgen gewesenes Fenster mit
der Jahreszahl 1525. Es ist ausgemauert, die Jahreszahl nach innen.
Dies läßt einen zweifachen Schluß zu:
a) Das Fenster ging sonst ins Freye und es ist die Stube später
angebaut. Oder
b) das Fenster hatte früher einen anderen Standort und die
Steine wurden nur benutzt um hier (durch) eine Mauer zu führen.
Die Auffindung einer Jahreszahl von 1525 in diesem Schloßtheil
ist aber insofern von Wichtigkeit, als es beweist, daß vor
Erbauung dieses Flügels durch Hans Georg von Giech - 1600
- auf diesem Platz schon ein Gebäude gestanden hat.“
Bald darauf hatte der Graf Gelegenheit den Fund persönlich
in Augenschein zu nehmen. Er schreibt: „Ich fand dasselbe
bey meiner Heimkehr von München in den Weihnachtsferien des
Landtags. Man hatte die alten eingemauerten Brocksteine herausgenommen
und einen neuen Sohlbankstein hinein gebrochen. Das Fenster hatte
eigentlich noch mehr Länge und es wurde durch diesen Stein
verkürzt. Es war dieses aber unvermeidlich, weil die untern,
nunmehr verdeckten Theile schon früher einmal teilweise zerstört
wurden. Das Fenster erscheint daher jetzt kleiner als es früher
gewesen. Nun ist und bleibt es für alle Zukunft sichtbar.
Man wollte es wieder vermauern, was ich nicht gestattete und es
dient nunmehr zum augenscheinlichen Beweis, daß hier zur
Zeit der Förtschen schon ein Gebäude stand, bevor Hans
Georg von Giech 1600 den sog. »neuen Bau« aufführte.
Vielleicht hatte dieses Gebäude mit dem alten Saal einen
Zusammenhang, dessen Reste Karl Gottfried II. noch am sogenannten
Krebsengarten sehen konnte.“ Heute ist dieses Fenstergewände
mit Jahreszahl nicht mehr vorhanden. Die letzte Renovierung des
Hans-Georgenbaues im frühen 21. Jahrhundert hat darauf wohl
leider keine Rücksicht genommen!
In der zum Marktplatz gewandten Fassade des Carl-Maximiliansbaues
finden sich schließlich noch zwei Wappen, die wohl auf Erneuerungen
dieser teilweise mit bossierten Quadern durchmengten Mauer schließen
lassen. Zum einen handelt es sich um ein recht gut erhaltenes
Wappen der Familie Förtsch, welches wahrscheinlich als Spolie
zwischen den niedrigen Fenstern des Erdgeschosses und den höheren
Fenster des 1. Obergeschosses im südlichen Teil der Fassade
angebracht ist. Das zweite Wappen, ein Ehewappen Giech –
Stein von Altenstein – welches wohl am Ende des Zweiten
Weltkrieges irgendwelchen Randalierern als Zielscheibe für
Handfeuerwaffen gedient hat – befindet sich nördlich
davon im Mauersockelbereich. Ersteres ist wohl mit dem beim Abbruch
der Herrenmühle im Sommer 1859 in der an dieselbe anstoßenden
Schloßmauer entdeckten Förtsch-Wappen identisch. 7
Letzteres verweist auf Baumaßnahmen unter Eberhard Förtsch
(erw. 1474 † 1521), der mit Amalia Stein zu Altenstein verheiratet
war. |
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Der Obere Schlosshof - links
der "Weiße Turm", rechts der "Centturm" |
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Dieser gotische Bogen vermittelt
den Zugang vom ehemaligen Bibliothekszimmer im Hans-Georgen-Bau
in das Gewölbe im 3. Obergeschoss des "Weißen
Turms" |
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Das Giech'sche Wappen auf dem
Gewölbeschlussstein im 3. Obergeschoss des "Weißen
Turms". |
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Das ausserhalb des "Centturm"
an das Schloss angebaute "Henkershäuschen" |
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Kriegszeiten im 15. Jahrhundert
Das 15. Jahrhundert brachte allerlei Unruhe ins
Land. Der tschechische Geistliche und Universitätsprofessor
Jan Huß prangerte in Prag die Missstände in der katholischen
Kirche an und hielt die Gottesdienste in tschechischer Sprache
statt in Latein. Trotz des vom Kaiser zugesicherten freien Geleits
hatte er am 6. Juli 1415 in Konstanz dafür den Märtyrertot
auf dem Scheiterhaufen sterben müssen. Daraufhin rächten
ihn seine Anhänger durch Einfälle in die Länder
jener benachbarten Fürsten, die auf dem Konstanzer Konzil
an der Verurteilung ihres Führers zum Ketzer mitgewirkt hatten.
Auch unsere Gegend wurde unmittelbar vom Kriegsgeschehen berührt.
Nachdem die Hussiten Ende Januar 1430 - trotz bezahlter Brandschatzung
- Kulmbach in Brand gesteckt hatten, lagerte ihr Heer mehrere
Tage im Kulmbacher Umland; am 5. Februar trafen sich die Führer
des hussitischen Heeres auf der Burg Zwernitz mit Markgraf Friedrich
I. zu Verhandlungen.
Auch wenn über die Ereignisse dieser Tage in Thurnau bisher
nichts Genaues bekannt geworden ist, so liegt doch die Vermutung
nahe, das auch das Schloss durch dieselben in Mitleidenschaft
gezogen wurde. Dafür spricht, dass Eberhard Förtsch
um 1456 nicht die eigentliche Burg, sondern die „Behausung
im Vorhof“, also im Bereich des heutigen Oberen Schlosshofes
bewohnte. Noch 1473 war „ein Teil des Schlosses wüst
und ungebaut, der ander Teil, die Kempnat, besser“.1477
waren die Gebäude auf der Nordseite des Unteren Schlosshofes
dann wieder aufgebaut; die Erwähnung der „newe(n) Stuben
zwischen dem thurm und dem alten Haus“ wird zumindest in
diesem Sinne interpretiert. Bei dem genannten „alten Haus“
handelt es sich laut Guttenberg um den östlichen Teil des
sogenannten Archivflügels, der zwischen 1430 und 1477 als
zweite Kemenate an das „Haus auf dem Stein“ erbaut
worden sei.
Wohl zu dieser Zeit erhielt die nördliche Zwingermauer drei
mit Hakenbüchsen-Schießscharten ausgestattete Rundtürme,
wie sie in jenen Tagen vielfach errichtet wurden. Die Hussiten
waren es gewesen, die bei ihrer Strategie erstmals auf den Einsatz
von Handfeuerwaffen, sogenannten Hakenbüchsen, setzen und
damit den in traditioneller Weise kämpfenden Heeren ihrer
Gegner das Fürchten lehrten. Seitdem bemühte man sich
auch die Wehranlagen der Burgen für den Einsatz dieser neuen
Waffengattung zu ertüchtigen. Besonders beliebt war der Bau
von mächtigen Rundtürmen mit speziellen, für den
Gebrauch von Hakenbüchsen eingerichteten Schießscharten,
die an Schlüssellöcher erinnern und deshalb Schlüsselscharten
genannt werden. Beispiele dafür sind die um 1485 unter dem
Bamberger Fürstbischof Philipp von Henneberg entstandenen
Rundtürme der Festung Rosenberg in Kronach, die um die selbe
Zeit entstandenen Befestigungswerke der Burg Hohenberg a. d. Eger
und der sogenannte Batterieturm der Burg Neuwallenrode bei Bad
Berneck, der um 1500 errichtet wurde.
Bei den archäologischen Untersuchungen im Jahr 2011 wurde
übrigens festgestellt, dass der nordwestliche Rundturm, der
sogenannte Pulverturm, stumpf an die Zwingermauer angefügt
und damit jünger als diese ist.
So war das Schloss Thurnau gegen Ende des 15. Jahrhunderts auch
für die Verteidigung mit modernen Handfeuerwaffen eingerichtet.
Doch schon bald ließ die rasante Fortentwicklung der Feuerwaffen
den fortifikatorischen Wert solcher Anlagen sinken. Bald konnten
nur noch hohe geistliche und weltliche Potentaten oder große
Städte wie Nürnberg beim kostspieligen Rüstungswettlauf
mithalten. Dies zeigte sich schon im Bauernkrieg, in dem es den
Aufständischen 1525 gelang das Schloss Thurnau auszuplündern
und teilweise niederzubrennen. Amalia Förtsch, die Witwe
Eberhard Förtschs († 1521), bezifferte den Entwendungsschaden
auf 2697 Gulden, den Schaden an den Gebäuden aber auf 2180
Gulden. Dank der erhaltenen Entschädigungszahlung konnten
die Gebäude rasch wieder hergestellt werden. Dies berichtet
uns auch die Inschrift auf dem über dem Eingangstor zum Oberen
Schlosshof angebrachten Wappenstein:
Thurnau das alte Edelmanns Hauß
In der Bauren Aufruhr brennet aus,
Welches der Edle und Ehren vest,
Wolff Förtsch wiedererbaut aufs Best,
Weiln das hievor gestanden war,
Uf seinem Geschlecht über Sechshundert Jahr.
Bewohnt das biß Er selig starb.
Hanß Georg von Giech daselb erwarb.
Sambt Barbara seiner Haußfrau zart,
Die gemelds Förtschen ehliche Tochter war.
Besitzen das im Ehren Stand.
Gott Hilff Ihnen ins ewig Vaterland.
Ao. Domini M.DLXXXII.
Harald Stark
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Allianz-Wappen
Förtsch - Stein von Altenstein an der Außenfassade
des Carl-Maximilian-Baus. |
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Die zwischen 1473
und 1477 errichtete neue Kemenate am Unteren Schlosshof |
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Der in der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts entstandene Zwingermauer ist
mit drei Rundtürmen bewehrt. |
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Die Inschrifttafel
am Torhaus zum Oberen Schlosshof |
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