Baudenkmäler in Gefahr: Kulmbach, Unterdornlach 5

Es wird in der Geschichte wohl kaum einen zweiten Zeitabschnitt gegeben haben, in dem sich das Leben und die Gesellschaft so schnell und nachhaltig veränderte, wie im 20. Jahrhundert. Vor allem durch den galoppierenden technischen Fortschritt in den Jahrzehnten nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und der damit einhergehenden Hebung des Lebensstandarts, hat unsere Kulturlandschaft und namentlich auch das Gesicht der kleineren Städte und Dörfer, die kaum Kriegszerstörungen erlitten haben, solch durchgreifende Veränderungen erfahren, dass man sie auf Fotos aus der Zeit um 1900 kaum noch wieder erkennen kann. Karl Bedal, der Pionier der oberfränkischen Hausforschung, umschrieb diese Entwicklung 1977 in folgenden Worten: "Als ich 1937 meine ersten hauskundlichen Aufzeichnungen anlegte, konnte ich noch förmlich aus dem Vollen schöpfen. Nach dem Kriege mußte ich erleben, wie so mancher ehrwürdige Hof der Spitzhacke zum Opfer fiel. ... Selbstverständlich kann auch die Bauentwicklung auf dem Lande nicht stehenbleiben und niemand wird verlangen, unsere ländlichen Siedlungen in Museumsdörfer zu verwandeln. Aber dass häufig sinnlos modernisiert wird, nur um es städtischen Entwicklungen gleichzutun oder um zu zeigen, daß man fortschrittlich ist, zeugt eigentlich gerade vom Gegenteil einer sinnvollen Entwicklung. Dieser Schrumpfungsprozeß der älteren Bausubstanz macht selbst vor baulich gesunden Häusern nicht Halt und so ist auch manches Fachwerkhaus in Gefahr, zerstört zu werden, nur weil es ein Fachwerkhaus ist."i Inzwischen hat sich die Landwirtschaft so entwickelt, dass kleinere Höfe nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können und die verbliebenen wenigen Vollerwerbslandwirte gezwungen sind entsprechend große und moderne - den aktuellen EU-Richtlinien entsprechende - Stallungen, Hallen und andere Wirtschaftsgebäude zu errichten. Die alten Scheunen und Schupfen werden nicht mehr gebraucht und verschwinden. Und auch die alten Bauernhäuser, deren Gestalt und innere Einteilung über Jahrhunderte weitgehend unverändert geblieben war, können den Anforderungen des heutigen Lebensstandarts nicht mehr genügen, müssen Neubauten weichen oder werden neben den neuen Wohnhäusern dem allmählichen Verfall preisgegeben.

 

Eines der letzten, wenigstens teilweise in Blockbauweise errichteten Bauernhäuser im Einzugsgebiet der Warmen Steinach steht in Grassemann bei Fichtelberg. Das Gebäude wird heute museal genutzt.
Das man in einem historischen Blockhaus auch heute noch leben und sich wohlfühlen kann, beweist dieses Wohnhaus in Untersteinach.

 

Holzhäuser wurden von Steinbauten verdrängt

Vor zweihundert Jahren wurde die Hauslandschaft in Oberfranken noch von der allgegenwärtigen Holzbauweise geprägt. Noch 1865 konnte Eduard Fentsch in der "Bavaria - Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern" über das Bauernhaus und die Gehöfte im Bayreuther Land konstatieren: "Fachwerk und Schindeldachung ist vorwaltend. Das Giebeldreieck des Wohnhauses, nicht selten der ganze Oberstock ist mit Brettern verschalt, der Nebenbau ausschließlich von Balken und Brettern aufgeführt. Vollständige Blockhäuser finden sich häufig im tieferen Gebirge. ... Namentlich findet sich im Warmensteinachthale ein Reichthum an Hütten, die blos aus aufgediebelten und geblätteten Balken auf steinernem Grundbau errichtet sind. Selbst das Bayreuther Unterland – die Gegend am weißen Main und im Mistelgau – hat viele Blockhäuser."ii Die bau- und feuerpolizeilichen Vorschriften im Königreich Bayern, die schon zur Zeit des Markgrafen Alexander in den Fürstentümern Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Kulmbach eingeführte Brandversicherung und nicht zuletzt das durch die Reformgesetzgebung des 19. Jahrhunderts gesteigerte Selbstbewustsein des Bauernstandes, führte dazu, dass die alten Fachwerkhäuser und Blockbauten nach und nach von steinernen Wohngebäuden verdrängt wurden. Besonders wenn durch die noch im 19. Jahrhundert häufig auftretenden Feuersbrünste ganze Ortschaften in Schutt und Asche gelegt wurden, erfolgte der Wiederaufbau der Häuser durchgängig in Steinbauweise. Dennoch haben sich Fachwerkhäuser auch im Kulmbacher Umland noch in größerer Anzahl erhalten; Blockbauten hingegen sind bei uns sehr selten geworden.

In Unterdornlach steht eines der letzten Blockhäuser

Eines der letzten Blockhäuser im Kulmbacher Land befindet sich in Unterdornlach. Dabei war die Blockbauweise noch 1811 in diesem Dorf vorherrschend gewesen. Alle Anwesen dort waren, nach Auskunft der Erhebungen zum damals neu angelegten Häuser- und Rustikalkataster, aus "Schrothwand" errichtet gewesen; allein bei der Mühle scheint es sich schon um einen Steinbau gehandelt zu haben. Das bis heute erhalten gebliebene Blockhaus hatte schon damals die Hausnummer 5 und gehörte dem Bauern Peter Pöhlmann, der es 1805 von seinem Vater Johann Pöhlmann erhalten hatte. Sein Anwesen umfasste damals 1 Tagwerk Garten, 16 ½ Tagwerk Felder, ½ Tagwerk Wiesen und 1 ½ Tagwerk Holz.iii
Die um 1780 entstandene Partikulargüterbeschreibung des markgräflichen Amtes Kulmbach bezeichnet das fragliche Anwesen als "Sölde, mit Hauß, Stadel und Backofen bebaut" und weist dieselbe als ein langheimisches Lehen aus; seit 1757 war sie in Besitz von Balthasar Hofmann.iv Schon 1290 ist langheimer Besitz in Unterdornlach bestätigt; um die Mitte des 14. Jahrhunderts umfasste dieser – nach Angabe des ältesten Urbars des Zisterzienserklosters Langheim – den Zehnten sowie 4 ½ Lehen und eine Sölde.v Damit zählen die Sölde Haus-Nr. 5 und das benachbarte, ebenfalls langheimische Frongut Haus-Nr. 6, zu den ältesten urkundlich bezeugten Wohnplätzen in Unterdornlach.
Noch 1811 erbte Peter Pöhlmann von seinem in Altenreuth verstorbenen Vater Johann das ein halbes Tagwerk große "Mühlwieslein" im Steuerdistrikt Oberdornlach. Als Pöhlmann seinen Besitz 1821 mit einer Hypothek von 1150 Gulden belasten wollte, wurde das Anwesen von amtlich bestellten Schätzleuten besichtigt und folgendermaßen beschrieben:
"Dasselbe besteht:
In einem zum k. Rentamte Culmbach lehenbaren Söldengute, Hs.-Nr. 5 dahier, worauf das hergebrachte Lehengeld mit dem 10. fl. - 1 fl. 42 ¾ Xr. Steuerfixum, 6 fl. 41 Xr. Gefälle haften, wovon die Gebäude mit 500 fl. rh. in die Brandversicherungsanstalt eingetragen stehen, wurde seinen einzelnen Bestandtheilen nach folgendermaßen geschätzt:
1. Ein Wohnhaus, von Schrottholz erbaut und mit Ziegeln gedeckt und in einem guten Zustande, worinnen
1 Wohnstube
1 Nebenkammer
1 gewölbte Küche
2 Hauskammern
1 unterer und
1 oberer Boden
angebracht sind und wo sich unter den Hauskammern der Viehstall auf 10 Stück Vieh sowie unter der Stube 1 gewölbter trockener Keller mit einem Vorkellerlein sich befindet.
2. Ein Stadel von Holzwand, mit Ziegeln gedeckt, mit einem Tennen, zwey Bennet und zwey Balken, von denen der eine gefilzt ist.
3. Ein am Stadel befindliches, dem Hauße gegenüber stehendes Nebengebäude mit einem Schaafstall, Futterkammer und Bödlein.
4. Ein Backofen am Hause, ebenfalls mit Ziegeln gedeckt."
Insgesamt wurde das Anwesen damals auf einen Wert von 4090 Gulden geschätzt, so dass der Hypothek nichts im Wege stand.vi

 

 

Das Blockhaus in Unterdornlach

 

Die sorgfältig bearbeitete Freitreppe war einst sicherlich eine besondere Zierde des Hauses

Das Söldengut wird zum Spekulationsobjekt

1836 übergab Peter Pöhlmanns Witwe Katharina das Söldengut ihrer Tochter Anna Margaretha und deren Ehemann, dem Bauern Peter Leppert, der sich auch im 1853 erstellten Grundsteuerkataster der Steuergemeinde Unterdornlach als Besitzer des Anwesens Haus-Nr. 5 eingetragen findet. Die Gebäude desselben umfassten damals das Wohnhaus mit Keller und Stallung, einen Backofen, Stadel und Schafstall sowie eine Streuschupfe.vii 1862 erwarb der Schmiedemeister Martin Kerl das Gut um 7700 Gulden. Er und seine Besitznachfolger, der Wirt und Viehhändler Johann Günther in Thurnau sowie der Schmied Johann Hübner, betrachteten das Anwesen scheinbar nur als Spekulationsobjekt, zerschlugen den Besitz und verkauften nach und nach die bisher zum Gut gehörigen Grundstücke. Der Rest wurde schließlich 1886 vom Weber Johann Stübinger aus Höferänger für 900 Mark ersteigert. Er fristete mit seiner Familie in dem alten Blockhaus vom Weberhandwerk sein Dasein; die landwirtschaftlichen Grundstücke waren inzwischen fast alle in andere Hände übergegangen. 1906 kaufte Johann Wolfgang Passing, der Eigentümer des benachbarten Anwesens Haus-Nr. 6 das alte "Weberhäusla", wohl um seinen Besitz abzurunden. 1926 erfolgte der Abbruch des nordöstlich des Wohnhauses, im Bereich der heutigen Auffahrt zu Haus-Nr. 6 gestandenen Stadels.viii
Das alte Blockhaus steht in der westlichen Hälfte des Dorfes, nördlich der Ortsdurchfahrtsstraße in Richtung Oberdornlach in Hanglage. Der ehemalige Hofraum des Anwesens, zu dem nach der Uraufnahme von 1853 auch noch unmittelbar neben der Straße gelegene Nebengebäude gehörten, wird heutzutage durch einen zu den Rückgebäuden des Anwesens Haus-Nr. 6 führenden Wirtschaftsweg durchschnitten. Nach Pfarrer Manfred Voigts Häuserchronik war das Holzhäuschen bis 1936 von Mietern bewohnt.ix Mehrfach hat das Häuschen als besonders erhaltenswertes Gebäude Einzug in die Fachliteratur gefunden. Eine ausführliche Würdigung fand es im 1995 in München erschienenen 2. Band – Oberfranken – der Dokumentation "Bauernhäuser in Bayern", wo auch Planaufnahmen des Hauses abgedruckt sind.x Die im Sturz des hölzernen Türrahmens der Haustür eingeritzte Jahreszahl 1740 beweist, dass das Häuschen inzwischen 272 Jahre auf dem Buckel hat. Lange trotzte es Wind und Wetter. Die Vernachlässigung der letzten Jahrzehnte führten jedoch zu ernsten Bauschäden. Der augenscheinlichste, das eingefaulte Südwesteck des Hauses, wurde durch zwei kleine Löcher im Ziegeldach verursacht. Kleine Ursache – große Wirkung!
Eigentlich ist es für das Blockhaus in Unterdornlach schon weit nach 12 Uhr. An eine zeitgemäße Nutzung des inzwischen stark baufälligen Gebäudes, für das bereits 1989 ein Abbruchantrag gestellt wurde, ist nicht zu denken. Wohl bald werden wir uns also von einem der letzten Zeugnisse der Blockbaukunst in unserem Landkreis für immer verabschieden müssen.

Harald Stark

Die südwestliche Giebelseite und die im Bereich der Schwarzen Küche aus Sandsteinquadern gemauerte Rückseite des Hauses

Ein kleines Loch im Dach verursacht starke Schäden an der westlichen Ecke des Blockhauses