Baudenkmäler in Gefahr: Der Ochsenhof in Wüstenbuchau

Dass Wüstenbuchau zu den schönsten Dörfern des Kulmbacher Landes, ja des ganzen Regierungsbezirkes Oberfranken gehört, zeigt sich schon daran, dass der Ort beim Kreiswettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft - Unser Dorf soll schöner werden" im Jahr 2010, bei den Dörfern unter 600 Einwohnern, den 1. Platz belegte und beim Bezirksentscheid dieses Wettbewerbs 2011 immerhin mit einer Bronzemedaille prämiert wurde. Ein besonderes Kleinod am Rande des historischen Ortskerns, der sogenannte "Ochsenhof", ist mir im vergangenen Jahr aufgefallen, als ich mit der Jury für den Kreiswettbewerb "Mitte des Dorfes" Wüstenbuchau einen Besuch abstattete. Gleich hinter der über den Loppbach führenden Brücke, dem von der Dorfgemeinschaft liebevoll restaurierten alten Feuerwehrhaus gegenüber, fällt eine von barocken Kugelaufsätzen gezierte Mauer aus Sandsteinquadern ins Auge, hinter der sich ein ausgedehnter Bauernhof mit einem stattlichen Wohnhaus und teilweise bereits halb verfallenen Nebengebäuden ausbreitet.
Rechter Hand der Hofeinfahrt steht das an einen spätmittelalterlichen Wehrturm erinnernde Sandsteinmauerwerk einer eingestürzten Scheune, welches August Gebessler im Kunstdenkmälerinventar von Stadt und Landkreis Kulmbach dem 16./17. Jahrhundert zuschreibt.1) Gegenüber vermittelt ein aufwändig gestaltetes Portal den Zugang in den verwilderten Hausgarten. Der geschweifte Ziergiebel über dem Portral zeigt in einem mit Akanthuslaub verzierten Medaillon die kalligraphisch ineinander verschlungenen Buchstaben J. F. W. und darüber die Jahreszahl 1734. Das Monogramm erinnert an Johann Friedrich von Waldeck, der die Umfassungsmauer des Hofes und die Umfriedung des Hausgartens neu errichten ließ. Das ringsum von Buschwerk umwucherte stattliche Wohngebäude des Ochsenhofes dürfte seine heutige Gestalt wohl um 1800 erhalten haben. Das Erdgeschoss ist aus Sandsteinquadern gemauert. Darüber befindet sich ein verschiefertes Fachwerkobergeschoss mit 12 zu 3 Fensterachsen. Seinen oberen Abschluss erhält das Haus durch ein mäßig steiles, mit dunklen Pfannenziegeln gedecktes Krüppelwalmdach.
Der Ochsenhof versteckt sich heute hinter üppig wuchernden Büschen

Witwensitz der Grafen Giech

Wie uns das um 1700 entstandene Thurnauische Land- und Urbarbuch des Grafen Carl Gottfried von Giech erläutert, gehörten 3 "Güthlein" in Wüstenbuchau zur Herrschaft Thurnau, zwei Sölden, ein Zinshof sowie eine unbebaute Hofstatt waren Lehen der Pfarrers in Thurnau, die übrigen Einwohner des Dorfes waren Untertanen der Giech'schen Herrschaften Buchau und Peesten. Der Ochsenhof in Wüstenbuchau diente damals der "hochgräffl. Frau Wittib zu Buchau" als Witwensitz.2) Bei dieser handelte es sich um Gräfin Maximiliana Catharina von Giech, geborene Gräfin Khevenhüller. Sie war die Witwe des Grafen Christian Carl von Giech zu Thurnau, Buchau, Wiesentfels und Grünwehr, der am 22. Oktober 1697 verstorben war.3) Aus den Jahren 1710 bis 1716 haben sich die Privatrechnungsmanuale der Gräfin Maximiliana Catharina von Giech über den Hof zu Wüstenbuchau erhalten.iii Wohl bald nach ihrem Tod im November 1723 scheint der Ochsenhof in die Hände jenes Johann Friedrich von Waldeck gelangt zu sein, der 1734 das schöne Gartenportal herstellen ließ. Schon 1712 und 1713 hatte dieser die jungen Grafen Carl Maximilian und Carl Maximilian von Giech als Hofmeister zum Studium an der Universität Halle begleitet.4) Nachdem sich "der hochgräffl. Geheime Rath und Hoffmeister von Waldeck" selbst "mit einer Kugel entleibet" hatte, verkaufte die Giech'sche Herrschaft den Ochsenhof am 30. Januar 1742 um 2480 Gulden an den aus Witzmannsberg stammenden Hannß Heroldt.5)

Ein besonderer Schmuck des Anwesens sind die mit Kugelaufsätzen geschmückten Säulen der Hofummauerung
Das barocke Gartenportal von 1734 trägt die Initialen des gräflichen Geheimrates und Hofmeisters Johann Friedrich von Waldeck
Das Mauerwerk der eingestürzten Scheune neben dem Eingang des Ochsenhofes zeigt fast mittelalterliches Gepräge.

Steuern und Abgaben in bayerischer Zeit

Die 1811 angefertigten Besitzfassionen zur Erstellung des neuen bayerischen Häuser- und Rustikalkatasters weisen Maria Herold als Besitzerin des Anwesens aus, die es 1778 um 2400 Gulden zusammen mit dem vorhandenen Vieh, der "Wagenfahrt und den Haußvorräthen" aus der väterlichen Erbschaft übernommen hatte. Zum Ochsenhof gehörten damals "ein Wohnhaus, Haus-Nr. 3, halb gemauert, mit Scheune, Schupfen, Backofen, der Hofraith und 2 Schörgärtlein", 23 ½ Tagwerk Äcker, 14 ½ Tagwerk zweimädige Wiesen, 6 Tagwerk Wald, und ¼ Tagwerk "Eggeten". Unter "Eggeten" ist Brachland zu verstehen, in unserem Fall "der Weidenacker, so etwan Feld gewesen, worauf jetzt Obstbäume gepflanzt sind". Als "Schorgärtlein" wird ein mit der Schaufel oder dem Spaten zu bearbeitender und nicht mit dem Pflug umzubrechender Hausgarten bezeichnet. Man erinnere sich an die in unseren Breiten auch als "Schneeschorer" bezeichnete Schneeschaufel!
Der Hof unterstand der Gerichtsbarkeit des gräflich Giech'schen Justizamtes Thurnau und war damals dem Giech'schen Amt Thurnau lehen- und zinsbar. Die jährlich dahin zu zahlenden Abgaben beliefen sich auf 36 Gulden. Zudem musste von jeder Kuh im Stall jährlich ein Maß Schmalz abgeliefert werden; diese Abgabe war jedoch gegen eine Zahlung vom 15 Kreuzern pro Kuh abgelöst worden. Wurde der Hof veräußert oder vererbt, so mussten 10 % des aktuell geschätzten Wertes als "Handlohn" an die Lehensherrschaft entrichtet werden. Starben Lehensnehmer oder Lehensherr, so hatte der Besitzer des Gutes eine weitere Abgabe, den sogenannten "Todenfall", in Höhe von 2 % des auf 600 Gulden festgeschriebenen Gutwertes zu bezahlen. Von allen Grundstücken, mit Ausnahme des 1 Tagwerk großen "Grubenackers auf dem Arzberg" und des ¼ Tagwerk umfassenden "Moseranäckerleins" mußte der "Zehenden zum 10. Bund" nach Thurnau entrichtet werden. Vom "Lebendigen Zehnten", also den Abgaben von Kälbern, Lämmern und Gänsen, war der Ochsenhof befreit. Zu diesen der Grund- und Lehensherrschaft in Thurnau zu reichenden Abgaben kamen noch die an das königlich-bayerische Kammeramt Sanspareil zu bezahlenden Steuern von insgesamt 14 Gulden und 26 ¼ Kreuzern hinzu. Das dem Ochsenhof zustehende "Gemeinderecht" bestand im "Mitgenuß der unvertheilten Gemeindehut und zwey kleinen Weyherlein" sowie einem "Antheil am 1811 vertheilten Gemeindeholz und zwar ½ Tagwerk schlagbares Nadelholz".6
1854 war der Ochsenhof in den Händen von Johann Thomas Wolf. Er hatte das Anwesen mit seiner Frau Kunigunda erheiratet, die es wiederum am 14. Juni 1845 von ihrem Vater Johann Schütz übergeben erhalten hatte. Der im genannten Jahr erstellte Urkataster liefert folgende Beschreibung der auf Plan-Nummer 463a errichteten und mit der Haus-Nr. 3 bezeichneten Hofgebäude: "Wohnhaus mit Stallung, Stadel und Keller, Stadel mit Stallung, Backofen, Schweinestall und Hofraum". Der "Gemüßgarten vor und hinter dem Hause" hatte die Plan-Nummer 463b erhalten.7) 1886 übergab Johann Thomas Wolf den Ochsenhof seinem Sohn Konrad. Der Wert des Anwesens wurde damals auf 32.845 Mark und 72 Pfennige geschätzt, der vom Vater verlangte Kaufpreis belief sich nur auf 20.571 Mark und 43 Pfennige. Noch im selben Jahr baute Konrad Wolf eine neue Wagenremise.8)
Inzwischen ist der Ochsenhof bereits mehrere Jahre lang unbewohnt und verwahrlost zusehends. Gelänge es, diesem geschichtsträchtigen Anwesen neues Leben einzuhauchen, würde dies zweifelsohne zu einer weiteren Verschönerung des Ortsbildes führen.

Harald Stark

Quellen und Literatur:

1) August Gebessler: Bayerische Kunstdenkmale - Stadt und Landkreis Kulmbach, München 1958, S. 111; 2) StA. Bamberg, G 65/B - Archiv der Grafen Giech zu Thurnau, Bände Nr. 257, p. 747 f.; 3) Johann Gottfried Biedermann: Genealogie der Hohen Grafen-Häuser im Fränckischen Crayse, 1. Teil, Erlangen 1745, Tabula CXXIV; 4) Uta v.on Pezold: Die Herrschaft Thurnau im 18. Jahrhundert, Kulmbach 1968, S. 185; 5) Aufzeichnungen des Pfarrers Werner Kleinschroth in Buchau; Urkunde in Privatbesitz; 6) StA. Bamberg, K 236, Nr. 45 b: Besitzfassionen zum Rustical-Kataster des Steuerdistrikts Buchau, No. 85; 7) StA. Bamberg, K 236, Nr. 189: Grundsteuerkataster der Steuergemeinde Lopp, 1854; 8) StA. Bamberg, K 236, Nr. 192a: Grundsteuerkataster-Umschreibheft des Anwesens Haus-Nr. 3 in Wüstenbuchau.