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1. Glemnitz-Familientreffen in Bad Kissingen
2012
Leider zeigt die Erfahrung, dass sich Vettern,
Basen, Onkels, Tanten, Neffen und Nichten meist nur zu besonderen
"Familienfesten" wie Hochzeiten, Kindstaufen oder Beerdigungen
zu Gesicht bekommen. Überzeugt von der Erkenntnis, dass man
nicht auf ein solches Ereignis warten dürfe, um sich wieder
einmal in die Arme schließen zu können, fanden Willi
und Friedrich einen Grund für ein Familientreffen der besonderen
Art. Sie luden zu einen "Familientag" just an jenem
Ort ein, wo unser gemeinsamer Ahnherr Carl Gustav Glemnitz (1839
- 1907) am 10. Juli 1866 als preußischer Soldat von einem
bayerischen Geschoss verletzt worden ist: In den fränkischen
Kurort Bad Kissingen. Glücklicherweise hatte ihn die Kugel
nur am Bein erwischt, denn wäre er damals ums Leben gekommen,
würde es uns heute alle nicht geben ...
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Mittwoch 4. Juli 2012
Friedrich hatte für uns in Bad Kissingen Quartier gemacht.
Das von ihm auserkorene Hotel Astoria liegt sehr zentral. Sowohl
die historische Altstadt als auch der Kurpark an der Fränkischen
Saale sind zu Fuß in wenigen Minuten zu erreichen. Das Hotel
verfügt über eine eigene Tiefgarage und die geräumigen,
schön eingerichteten und vorbildlich gepflegten Zimmer sind
bequem per Aufzug erreichbar; ein Komfort, den die Fußkranken
unter uns sehr zu schätzen wussten. Als problematisch erwies
sich nur, dass das Hotelrestaurant geschlossen hatte und wir schon
nach dem einchecken nicht wussten, wo wir zum Mittagessen hin
gehen sollten. Bärbel, die ja Diabetikerin ist, hatte sich
auf dem Zimmer schon ihre Insulinspritze gegeben und drängte
nun verständlicherweise darauf, eine anständige Mahlzeit
zu bekommen. Auf Empfehlung des Zimmermädchens machten wir
uns auf zum Gasthof "Zur Post" in der Nähe des
Bad Kissinger Marktplatzes, wo sich bald die ganze Gruppe einfand.
Nachdem wir uns gestärkt hatten, brachen wir auf zu einem
Nachmittagsspaziergang, der uns vorbei an der neugotischen katholischen
Herz-Jesu-Kirche zum Kapellenfriedhof führte. Hinter die
Mauern dieses Friedhofes hatten sich die bereits geschlagenen
Bayern am Nachmittag des 10. Juli 1866 zurückgezogen und
hier, an der leichten Anhöhe zwischen dem Liebfrauensee und
der Friedhofsmauer, fanden die letzten schwereren Kämpfe
zwischen den bayerischen Truppen und den die Stadt besetzenden
Preußen statt. Wir besichtigten die Friedhofskirche St.
Burkard, deren gewölbter Chor aus dem 15. Jahrhundert stammt,
das Langhaus aber 1727 - 1744 nach Plänen von Balthasar Neumann
errichtet wurde. Auf dem Kapellenfriedhof entdeckten wir dann
auch noch Gräber von Gefallenen aus dem Gefecht um Kissingen
von 1866. Eine schattige Parkbank lud zum Verweilen und einem
Glemnitz-Familienfoto ein.
Den Abend verbrachten wir dann im Forsthaus Klaushof, einem stilvollen
Restaurant mit guter Küche, etwas außerhalb von Bad
Kissingen gelegen. Hier erfuhren wir von Willi einiges Interessantes
über unseren in der Schlacht verwundeten Urahn. Carl Gustav
Glemnitz war am 21. Juli 1839 als Sohn des Freigärtners und
Webers Johann Glemnitz in Schleibitz und dessen Ehefrau Rosina,
geborene Adler, zur Welt gekommen. Friedrich hat in seinen Unterlagen
einen Auszug aus dem Taufregister der evangelischen Pfarrkirche
zur Hl. Dreieinigkeit in Groß-Weigelsdorf gefunden, wonach
Carl Gustav dort am 4. August 1839 getauft worden ist. Leider
sind in der Urkunde die Taufpaten nicht vermerkt. Warum jedoch
der Schlesier Carl Gustav Glemnitz im Deutschen Krieg von 1866
als Füsilier in der 11. Kompanie des 6. Westfälischen
Infanterie-Regiments 55 kämpfte, blieb für uns rätselhaft.
Willi hat im Internet eine Liste derjenigen Männer aus jenem
Regiment gefunden, die beim Gefecht um Kissingen verwundet wurden.
Darunter befindet sich auch "Füs. C. Glemnitz, aus Schleibitz,
Kr. Oels, l. v., Streifschuß am linken Oberschenkel".
Ein Jahrzehnt später, im Jahr 1876, war Carl Gustav Glemnitz
Pachtschmiedemeister in Pühlau. Durch seinen am 14. Juli
1876 von seiner Ehefrau Ernestine Emilie Viertel dort geborenen
Sohn Karl Gustav, wurde er zum Ahnherren aller heute hier in Bad
Kissingen zu seinem Gedenken versammelten Nachkommen. Von seinem
Bruder Friedrich Glemnitz (* 1880 + 1953) stammt der bekannte
Schauspieler Reinhard Glemnitz und dessen Schwester, die Baletttänzerin
(u. a. Eisrevue) Sigrid Pfeffer, ab.
Harald legte eine Liste der ihm bekannten Nachfahren Carl Gustavs
vor, die von Friedrich und Willi nach Bedarf noch ergänzt
werden wird. Aus dem im Jahr 1911 erschienenen Buch "Die
Bayern im Kriege seit 1800" von Ludwig Becker, steuerte er
zudem einen Bericht über das Treffen bei Bad Kissingen im
Jahr 1866 bei.
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In launiger Runde vor
dem Gasthof zur Post |
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Am Liebfrauensee |
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Am Weg vom Liebfrauensee
zum Kapellenfriedhof tobte am 10. Juli 1866 ein erbitterter Kampf |
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Donnerstag 5. Juli 2012
Nach einem gemütlichen Frühstück im Hotel spazierten
wir hinunter zu den an den Ufern der Fränkischen Saale gelegenen
Kuranlagen. Waren die Solequellen Kissingens schon im frühen
9. Jahrhundert bekannt, so wurde der Ort seit der Mitte des 16.
Jahrhunderts immer mehr von Kranken besucht, die sich von den
dortigen Mineralwässern Linderung oder gar Heilung ihrer
Leiden erhofften. 1737 wurden die Quellen im Auftrag des Würzburger
Fürstbischofs gefasst und nach Plänen von Balthasar
Neumann ein Kurhaus errichtet. Die heutigen Kuranlagen entstanden
nach und nach im Zeitraum zwischen 1834 und 1913. Wir probierten
das Wasser aus der Racoczy-Quelle, flanierten durch die Wandelhallen
und lauschten dem Kurkonzert, um uns abschließend noch in
einer Wanderausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte
über Bayernkönig Ludwig II. zu informieren. Natürlich
wurde in dieser Ausstellung auch der Deutsche Krieg von 1866 und
das Gefecht bei Kissingen thematisiert.
Zum Mittagessen fuhren wir wieder hinauf zum Forsthaus Klaushof
und während die meisten danach im Hotel Mittagsruhe hielten,
machte ich einen Spaziergang durch die Altstadt, wo das 1577 im
Renaissancestil errichtete alte Rathaus auf dem Marktplatz, der
ehemalige Heussleinsche Hof - das heutige Rathaus Bad Kissingens
- welches 1709 von Johann Dientzenhofer errichtet wurde, und die
demselben gegenüber gelegene katholische Pfarrkirche St.
Jakobus meine Ziele waren. Letztere zeigt im Inneren prächtige
klassizistische Formen aus dem späten 18. Jahrhundert.
Durch meinen Ausflug in die Bad Kissinger Altstadt ist mir leider
die Verabredung zum Kaffee-Trinken in den Rosengarten entgangen.
Als ich zurück zum Hotel kam, war Willi grade auf dem Weg
zu seinem Auto und erzählte mir, dass es beim Rosengarten
Parkmöglichkeiten geben, und er jetzt da hin fahre. So holte
ich Mutter auf ihrem Zimmer ab. Weder sie noch ich waren an diesem
Nachmittag noch gut zu Fuß, weshalb auch ich mit dem Auto
zum Rosengarten fahren wollte. Mein "Navi" kannte die
Eingabe "Rosengarten" leider nicht und als ich Passanten
nach dem Weg fragen wollte, begegnete mir ein auskunftsfreudiger
Bad Kissinger ausgerechnet an einer Bushaltestelle. Er erklärte
mir, dass es zum Rosengarten nicht weit sei, dass es dort aber
weit und breit keine Parkmöglichkeit gäbe. Zwischenzeitlich
schimpften einige Passanten, dass ich den ganzen Busverkehr aufhalten
würde und so beeilte ich mich, dass ich weg kam und kehrte
zurück in die Hotel-Tiefgarage. Mutter, deren Knie heftig
schmerzte, und ich machten uns nun zu Fuß auf in Richtung
Ludwigsbrücke und als wir fast beim Rosengarten waren, kamen
uns die Geiselhöringer entgegen, die auf dem Weg zurück
zum Hotel waren, weil sie wieder nach Hause zu fahren wollten.
Kaffee und Kuchen hatten ihnen geschmeckt, wir verabschiedeten
uns von ihnen und gingen weiter zum Rosengarten, wo wir bald auf
Friedrich trafen. So stärkten auch wir uns mit Heißgetränken,
leckeren Konditoreiwaren und einem Milchshake. Willi und Ruth
jedoch blieben für den Rest des Nachmittags verschollen.
Als wir mit verbesserter Konstitution abends wieder ins Hotel
kamen, waren wir froh, als wir Willi und Ruth wohlbehalten auf
der Terrasse sitzen sahen. Wir hatten Appetit zum Abendessen und
auf Empfehlung unseres freundlichen Hotelpersonals fuhren wir
zum Wittelsbacher Turm, wo wir den Tag bei einer guten fränkischen
Brotzeit und herrlicher Aussicht ausklingen ließen.
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Carl Gustavs Nachfahren
auf der Parkbank im Bad Kissinger Kapellenfriedhof |
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Der Arkadenbau Friedrichs
von Gärtner im Kurgpark |
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Beim Kurkonzert |
Freitag 6. Juli 2012
Nach dem Frühstück räumten auch wir unsere Zimmer.
Friedrich brach gleich auf in Richtung Würzburg. Ruth, Willi,
meine Mutter und ich fuhren in den Bad Kissinger Ortsteil Hausen,
wo früher in der Oberen- und Unteren Saline Salz gesotten
wurde. Die Untere Saline macht leider einen recht verwahrlosten
Eindruck. Wie jedoch eine vor dem Sudhaus aufgestellte Tafel informiert,
ist die alte Betriebseinrichtung darin noch vollständig erhalten.
Bleibt zu hoffen, dass dieses Technikdenkmal erhalten und demnächst
als Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Unweit der Unteren Saline befindet sich das Gradierwerk Bad Kissingens,
das früher zur Konzentration des Salzgehaltes innerhalb der
Sole vor dem Versieden diente. Heute wird es von Kurgästen
aufgesucht, die hier zu Therapiezwecken salzhaltige Luft einatmen
möchten. Auch wir machten davon ausgiebig Gebrauch und genossen
das sanfte Plätschern des Salzwassers, das über Schlehenreisig
langsam nach unten in ein hölzernes Auffangbecken fließt.
Die heutige Gradieranlage entstand - mit Ausnahme des älteren
Wasserturms - in den Jahren 1993 bis 1994. Wie die sich an den
bestehenden Bau anschließenden Grundmauern beweisen, war
das Gradierwerk einst viel länger. Ursprünglich beförderten
durch ein riesiges Wasserrad angetriebene Pumpen die Sole auf
die Höhe des Gradierwerkes. 1848 wurde dasselbe durch ein
von einer Turbine angetriebenes Pumpwerk ersetzt, das - ebenso
wie ein 1883 eingerichtetes Solepumpwerk - noch heute zu bewundern
und wohl auch noch funktionstüchtig ist.
Die beiden Salinen und das Gradierwerk befinden sich wie gesagt
im Bad Kissinger Ortsteil Hausen und auf Empfehlung eines freundlichen
Passanten speisten wir im dortigen Gasthaus zum Adler zu Mittag.
Danach verabschiedeten wir uns von Ruth und Willi, die noch einen
Abstecher in die Rhön und zur Wasserkuppe beabsichtigten.
Ich fuhr noch hinauf zu den Ruinen der Burg Bodenlaube. Nach einem
ausgiebigen Rundgang durch dieselbe machten auch Mutter und ich
uns wieder auf den Heimweg.
Harald Stark |
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Am Gradierwerk |
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"Sprudelstein"
am Gradierwerk |
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