Urlaubsfahrt 2016: Ab in den Harz …
mit der Harzcard unterwegs

Dienstag, 13. September

Der September ist für mich mein Urlaubsmonat. Nachdem ich meiner Mutter anlässlich unserer letztjährigen Reise nach Isernhagen versprochen hatte, sofern sie bis dahin mit ihren 77 Jahren noch „reisetauglich“ ist, einen Harzurlaub zu planen, wurde dieser Plan nun in die Tat umgesetzt. Eine Gruppe Schüler war, als wir den Festungsberg herunter fuhren, gerade dabei ihren obligatorischen Kirchenbesuch zum Beginn des neuen Schuljahres zu beenden und die Petri-Freitreppe hinunter in Richtung MGF hinunter zu strömen, wir aber starteten in die Ferien! Nun galt es noch ein paar Wurstsemmeln zum Frühstück und als Brotzeit einzukaufen und dann konnte es los gehen.
Von Coburg aus ging es auf der A 73 in Richtung Norden. Vor Suhl wurden wir von unserem Nüvi von der Autobahn ausgeleitet, weil die vorausliegende Autobahn wegen eines LKW-Unfalls gesperrt war. Auf herrlichen Landstraßen ging es nun einige Kilometer durch den Thüringer Wald. Noch vor Erfurt erreichten wir die A 71 und nun ging die Fahrt reibungslos weiter, bis links der A 38, auf der wir inzwischen fuhren, das Kyffhäuser-Gebirge sichtbar wurde. Kurzentschlossen wählte ich den Kyffhäuser als Reiseziel des ersten Urlaubstages aus. Von Kelbra aus ging es über ungezählte Kehren und Kurven hinauf auf den Scheitel des Gebirges und dort führte eine Straße, dem Gebirgskamm in Richtung Osten folgend, zum Parkplatz unterhalb der „Burghof-Denkmalwirtschaft“.Während sich meine Mutter mit einer Illustrierten in den zur Gastwirtschaft gehörigen Biergarten setzte, machte ich mich auf den Weg zum Kyffhäuserdenkmal. Wie Hinweistafeln auf dem Parkplatz behaupten, könne man das Denkmal von dort in 12 Minuten zu Fuß erreichen. Das gilt für normale Menschen, aber nicht für mich. Auch wenn ich in den letzten drei Jahren rund 30 Kilo leichter geworden bin, schnaufte ich bestimmt eine halbe Stunde die halb geteerte Auffahrtsstraße hoch, bis ich glücklich das Kassenhäuschen erreichte. Hier hieß es erst einmal 7,50 € Eintritt berappen. Dann kann man das Rondell umrunden, bis man schließlich vor der monumentalen Barbarossahalle steht, über der sich der 81 Meter hohe Turm des Kaiser-Wilhelm-Denkmals erhebt, für dessen Bau um 1890 der größte Teil der Oberburg der Reichsburg Kyffhausen geopfert wurde. In der Barbarossahalle sieht man sich dem aus dem Fels gemeißelten Kaiser Rotbart gegenüber, wie er – aus seinem tausendjährigen Schlaf erwacht – den Eingeweiden des Kyffhäusers entsteigt. Darüber erhebt sich das aus Bronze gegossene Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I., den das Denkmal als legitimen Erben des mittelalterlichen Kaisertums verherrlichen sollte.
Seitlich der Barbarossahalle führen zwei Freitreppen hinauf zur Plattform, von der aus man nicht nur eine herrliche Aussicht über die zu Füßen des Berges liegenden Lande genießen, sondern auch dem steinernen Stauferkaiser direkt ins bärtige Antlitz blicken kann. Ich suchte den Schatten auf der Nordseite des Turmes, denn es herrschte hochsommerliches Wetter und das Thermometer war in der Mittagshitze auf über 30 Grad geklettert und Schatten findet sich auf der Ostseite Kyffhäuserdenkmals nur wenig. Kommt man um die Schattenseite des Denkmals herum, erstreckt sich das obere Bergplateau des Kyffhäusers vor dem Besucher. Gleich unterhalb der Plattform erschien mir das Objekt meiner besonderen Begierde vor Augen: Der tiefste Burgbrunnen der Welt. Neuere Befahrungen haben gezeigt, dass er 176 Meter durch den roten Sandstein in die Tiefe getrieben wurde. Aus einem Automaten kann man für 1 € einen Stein ziehen, den man über eine besondere Einwurfvorrichtung in den sonst mit einem engmaschigen Drahtgeflecht abgedeckten Brunnen werfen darf. Zu meiner großen Enttäuschung hört man statt der tatsächlichen Geräusche, die der Stein verursacht, ein elektronisch generiertes Tropfgeräusch und dann die Stimme eines „Brunnengeistes“ der dummes Zeug faselt. Wie sehr habe ich mir einen Eimer Wasser gewünscht: Erst einen tüchtigen Schluck trinken und dann den Rest in den Brunnen schütten, wie wir das von der Plassenburg gewohnt sind!
Oberhalb des Burgbrunnens befindet sich in einem ebenfalls aus dem späten 19. Jahrhundert stammenden Gebäude ein kleines Museum, in dem neben verschiedenen archäologischen Fundstücken vom Burggelände, ein langgestrecktes Modell das Aussehen der drei mittelalterliche Kyffhäuserburgen rekonstruiert. Schautafeln an der Wand bieten allerlei interessante Informationen über dieselben. Durch eine Tür im hinteren Teil dieses aus einem einzigen Raum bestehenden Museums, kommt man in einen modernen Anbau aus Stahl, Glas und Beton, in dem sich der Museumsladen und Gastronomiebereich befindet. Hier war ich kurz davor, vom Glauben abzufallen: Für ein Fläschchen mit 0,25 l Limonade wird hier ein Wucherpreis von 2,50 € verlangt! Mir war der Durst vergangen!

Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Kyffhäuser
Das Kyffhäuserdenkmal mit der Barbarossahalle im Vordergrund
Kaiser Rotbart und das Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I.
 
 
Von oben ganz unscheinbar: Der tiefste Burgbrunnen der Welt
Blick in die Tiefe
Der Barbarossaturm der Oberburg
Nun ging es weiter nach Westen; über eine Treppe gelangt man über einen Steg, der im Schutz des sogenannten „Barbarossaturms“ über einen in den Felsen geschlagenen Graben zum Herz der Oberburg führt, von dem noch umfangreiche Grundmauerreste zu sehen sind. Im Inneren des Turmes befindet sich eine weitere Ausstellung, die ich jedoch nicht besuchte, weil ich die Geduld meiner wartenden Mutter nicht allzu sehr strapazieren wollte. So ging es wieder zurück in Richtung Kaiser-Wihelm-Denkmal und durch das noch aus dem Mittelalter stammenden „Erfurter Tor“ verließ ich den Bereich der Oberburg und kehrte zurück zum Kassenhäuschen um den Abstieg über die „Mittelburg“ zur „Unterburg“ der Reichsburg Kyffhausen anzutreten.
Von der Mittelburg waren durch die üppige Vegetation nur einige hoch an einer Sandsteinklippe haftende Mauerreste über einer tief eingeschnittenen Schlucht sichtbar. Am Ende dieser Schlucht gelangt man über einen von einer Brücke überspannten Graben zum Zangentor der Unterburg, welches vom hohen Alter der Anlage zeugt. Dahinter erstreckt sich eine von einer fast runden Ringmauer umschlossene große Burganlage, von deren Innenausbau noch zahlreiche Grundmauern zeugen. Am besten erhalten ist die Ruine der romanischen Burgkapelle und der Stumpf eines großen, runden Bergfrieds. Ein zweites rundes Fundament südöstlich unterhalb des Kapellenchores habe ich zunächst ebenfalls als Turmfundament interpretiert; jedoch enthält dasselbe Reste von für mich auf den ersten Blick unerklärbarer Inneneinbauten. Sollte es sich um die Überreste einer Zisterne handeln?
Sehr durstig kam ich nach etwa 2 Stunden wieder zurück auf den Parkplatz. Meine Mutter hatte sich die lange Wartezeit mit einem Eiskaffee versüßt, der im Vergleich mit der Limonade in der Oberburg ob seines Preises von 4,50 € ein wahres Schnäppchen gewesen ist. Von Kelbra aus ging es dann quer durch den Süd- und Unterharz nach Bad Suderode in unser Quartier im Kurhotel, das wir gegen 17.30 Uhr erreichten. Nach einer anderthalbstündigen Ruhepause holten wir dann unser Gepäck aufs Zimmer und gingen ins hauseigene Restaurant um etwas zu Abend zu essen.
 
Das Zangentor der Unteren Burg
 
Die Kapelle der Unterburg
 

Mittwoch, 14. September

Um halb Neun traf ich mich mit Mutter zum Frühstücksbuffet. Wir hatten beide prima geschlafen. Dank der offenen Fenster konnten wir die ganze Nacht über frische Harzluft atmen. Mutter hörte des Nächtens von dem hinter dem Hotel ansteigenden bewaldeten Berghang sogar Wildschweingrunzen. Das Frühstücksbuffet in unserem Kurhotel ließ keine Wünsch offen, egal ob Wurst, Käse, Marmelade, Müsli, frisches Obst, Säfte oder Joghurt, alles war vorhanden. Besonders lecker fanden Mutter und ich das am Buffet angebotene Rührei.
Trefflich gestärkt machten wir uns gegen 10.00 Uhr auf in Richtung Quedlinburg, dem Ziel unseres zweiten Urlaubstages. Unterwegs machte ich noch einen kurzen Abstecher zur Teufelsmauer bei Weddersleben, von der ich leider nur zwei nicht sehr gelungene Gegenlichtaufnahmen zustande brachte. In Quedlinburg angekommen frischten wir erst mal bei EDEKA unsere Mineralwasservorräte auf. In Anbetracht der horrenden Preise, die hier von den Gastronomen für nichtalkoholische Getränke verlangt werden, erschien mir ein großzügiger Diskount-Wasser-Kauf sehr sinnvoll. Auch den schon im Vorfeld via Internet herausgesuchten Parkplatz in der Carl-Ritter-Straße – der Namenspatron gilt übrigens als Begründer der wissenschaftlichen Geographie und ist ein Quedlinburger – fand unser Navi ohne Probleme. Von hier aus ging es dann zu Fuß zunächst hinauf auf den Schloßberg. Durch verwinkelte Gassen erreichten Mutter und ich bald den Finkenherd, jener Örtlichkeit wo – der Legende nach – der Sachsenherzog Heinrich im Frühjahr 919 die Nachricht von seiner Wahl zum Deutschen König erhalten hatte. Auch nach seiner im Mai des genannten Jahres in Fritzlar erfolgten Krönung, blieb die auf der Höhe des Schlossberges gelegene Quedlinburg der Lieblingsaufenthalt des ersten Ottonen. Hier starb er auch und wurde in der bescheidenen Burgkapelle, der Keimzelle der heutigen Stiftskirche St. Servatius, beigesetzt.
Vorbei am Kloppstockhaus und der Lionel-Feininger-Galerie gelangten wir bald zum äußeren Tor der Quedlinburg. Vis á vis beeindruckte mich ein Fachwerkhaus (wohl Schloßberg 9) aus dem 17. Jahrhundert (pyramidenförmige Balkenköpfe) mit barocker Bandelwerk-Malerei. Weiter hoch zum Schloss wollte Mutter nicht mehr – der letzte, von zwei Toren gesicherte, Anstieg ist zwar kurz aber steil! Während ich mich also auf dem Weg zum Gipfel machte, suchte sich Mutter eine schattige Bank um sich etwas auszuruhen. Oben angekommen erkundete ich zunächst einmal das Gelände vor dem Ostchor der St.-Servatius-Kirche. Hier befindet sich der „Schloßkrug“ – die Burgwirtschaft – und davor ist ein wunderschöner Terassengarten angelegt, von dem man einen wundervollen Blick über die Stadt Quedlinburg genießt.
Wie man es in den zu einem großen Teil von Atheisten bevölkerten „Neuen Bundesländern“ häufig findet, ist auch für das Gotteshaus St. Servatius ein Eintrittsgeld zu entrichten. Nachdem ich also meine 6,- € berappt hatte, durfte ich hoch offiziell nicht nur das Langhaus und den Chor, sondern auch die Krypta und den Domschatz in Augenschein nehmen. Das erste, das mich erwartete, war ein Baugerüst im hinteren Teil der Kirche, das als Tribüne bei einem Konzert am vergangenen Wochenende gedient hatte. Ich nutzte es kurzerhand als Stativ und bekam – trotz Blitzverbot – ein brauchbares Bild vom Innenraum der Kirche zustande, die zu den bedeutendsten Bauten der hochromanischen Architektur in Deutschland zählt. Das Langhaus ist bis auf die modernen Stühle, einigen ausgegrabenen mittelalterlichen Baufragmenten im südlichen Seitenschiff und dem steinernen Volksaltar vor dem Eingang zur Krypta, ohne Einrichtungsgegenstände. Über dem Volksaltar hängt ein Aluminium-Kreuz von der Decke, das als modernes Kunstwerk zwar hoch gelobt wird, nach meinem Empfinden aber eher die schlichte Harmonie des romanischen Bauwerks stört. Die Hauptapsis des Hochchors schmückt ein spätgotischer Flügelaltar. Von den Seitenapsiden aus betritt man die beiden Schatzkammern, in denen der am Ende des Zweiten Weltkrieges durch einen amerikanischen Soldaten „erbeutete“ und 1993 nach Quedlinburg zurückgekehrte Stiftsschatz mit wertvollen Pretiosen aus ottonischer Zeit zu sehen ist.
Das Herz des Gotteshauses aber ist unter dem Hochchor zu finden: Die Krypta, in der König Heinrich I. seine letzte Ruhe fand. Seine Witwe Mathilde veranlasste die Verwandlung der Quedlinburg, die sie von ihrem Mann als Witwengut verschrieben erhalten hatte, in ein adeliges Damenstift und ihr Sohn, König Otto I., bestätigte 936 diese Stiftung. Zunächst leitete die Königswitwe Mathilde selbst die Geschicke des von ihr gegründeten Frauenkonvents. 966 wurde ihre Enkeltochter Mathilde als erste Äbtissin des Stifts gewählt. Ihre Großmutter starb zwei Jahre später und wurde neben ihrem Mann in der damals wohl schon rund ein Jahrhundert bestehenden kleinen Pfeilerbasilika auf dem Burgberg bestattet. Äbtissin Mathilde ließ nun die Gebeine ihrer Großeltern heben und sie in der Krypta eines 1021 geweihten Kirchenneubaues beisetzen. Dieser wurde 1070 ein Raub der Flammen; der Neubau der jetzigen Stiftskirche zog sich bis 1129 hin. Vom ottonischen Vorgängerbau ist jedoch die Krypta unter dem Hochchor erhalten geblieben, mit den durch vergitterte Öffnungen im Boden sichtbaren Gräbern des königlichen Stifterehepaars und deren Enkelin und ersten Äbtissin Mathilde, die 999 dort beigesetzt wurde. Dahinter die sogenannte Confessio, eine in den Boden eingetiefte halbrunde Grube, deren Wände mit aus Stuck geformten rundbogigen Blendarkaden versehen sind. Die Särge der königlichen Stifter ragten einst in diesen Raum hinein und er mag der besonderen Memoria an die hier Beigesetzten gedient haben.
Nach dem Verlassen der Stiftskirche wurde ich noch auf die Teppichkammer im ersten Obergeschoss des südlichen Schlossflügels hingewiesen, zu der vom Kassenraum eine Treppe hinauf führt. Hier ist ein weiteres Kleinod aus dem Besitz des Stifts Quedlinburg ausgestellt: Fünf Fragmente eines romanischen Knüpfteppichs, der einst als Schmuck des Hochchors diente und von der Äbtissin Agnes II. von Meißen (1184-1203) gestiftet worden war.

Blick vom Abteigarten auf den Schlossberg in Quedlinburg
Im Finkenherd
Schlossberg 9
Ansich des Schlosses von der Wipertistrasse
 
Blick zum Renaissance-Flügel des Schlosses
Der Terassengarten des Schlosses
Kapitell in der Stiftskirche
Stiftskirche St. Servatius
Blick in die Stiftskirche St. Servatius
Ornamentfries
Blick in die Stiftskirche St. Servatius
Gegenüber der Kasse zur Kirchenbesichtigung befindet sich der Eingang zum Schlossmuseum. Den Auftakt zum Rundgang durch das „Schloss“ – eigentlich handelt es sich ja um die aus der mittelalterlichen Königsburg hervorgegangenen Konventgebäude des kaiserlichen freien Damenstifts Quedlinburg – bildet die Besichtigung der noch aus ottonischer Zeit stammenden Gewölbe unter dem westlichen Schlossflügel. Hier wird in der 2004 neu konzipierten Ausstellung „Auf den Spuren der Ottonen“, sowohl die älteste Geschichte Quedlinburgs, als auch deren Missbrauch in der Zeit des Nationalsozialismus thematisiert. Daneben gibt es die im Obergeschoss des zwischen 1557 und 1559 im Stil der Renaissance als Residenz der Äbtissin errichteten Nordflügels eingerichteten Empfangs- und Gesellschaftsräume zu erleben. Deren Raumschmuck und Interieurs stammen jedoch überwiegend aus dem 18. Jahrhundert.
Man betritt dieselben heute in der umgekehrten Reihenfolge, wie diese eigentlich vom Hofzeremoniell der Barockzeit vorgeschrieben wurde: Zuerst das Wohnzimmer, Schlafzimmer und Kabinett der Neuen Abtei; diese sind im Empire-Stil gehalten. Es folgt das von der letzten Äbtissin Sophie Albertine Prinzessin von Schweden (1787-1803) im selben Stil prächtig ausgestaltete große Audienzzimmer. Von diesem kommt man in das auch als das „Dunkles Gemach“ bezeichnete Vorzimmer, das von seiner im dunklen Beige-Ton gehaltenen Damasttapete seinen Namen hat. Schließlich gelangt man in den barocken Blauen Saal, im dem eine Galerie von Portraits der von 1516 bis 1802 regierenden Äbtissinnen die Wände schmückt.
Über eine Treppe gelangt man dann in einen Raum in der unteren Etage, in dem mehrere historische Kuriositäten zu sehen sind, wie etwa das Fragment einer aus dem frühen 14. Jahrhundert stammenden großen Windenarmbrust, einer sogenannten Balliste, oder der sogenannte „Raubgrafenkasten“. Dieser soll 1337 als Gefängnis für den Grafen Albrecht II. von Regenstein gedient haben, der im Zuge einer Fehde von den Quedlinburgern gefangen gesetzt worden war.
Nun war es Zeit, den Schlossberg wieder zu verlassen, denn meine Mutter wartete schon wieder mehr als 2 Stunden auf mich. Unterhalb des Finkenherdes saß sie in einem Café, das mit Eis aus frischer Bauernmilch seine Kundschaft wirbt. Hier hatte sie sich von der Güte des dort angebotenen Eiskaffees überzeugt. Mir allerdings verging bei einem Blick in die Speisenkarte der mich schon länger quälende Durst: Selbst einfaches Mineralwasser war um einige Cent teurer als das billigste angebotene Bier! So ging ich denn zunächst einmal zum Auto, um mich aus dem Wasservorrat im Kofferraum zu bedienen; Mutter schickte ich einstweilen schon mal vor in die Hohe Straße, wo sie an der Abzweigung zur Blasiistraße auf mich wartete.
Das war auch gut so, denn als nächstes Ziel hatte ich mir die Blasiikirche ausgesucht, die meine Mutter durch ihr schönes Interieur aus dem frühen 18. Jahrhundert und vor allem durch ihren mächtigen Kanzelaltar begeisterte. Von hier aus erreichten wir bald den Markt, wo gerade Wochenmarkt stattfand. Zwar duftete es hier verführerisch nach Bratwürsten und anderen Leckereien, doch hielt sich bei den hohen Temperaturen und in Anbetracht der noch vor mir liegenden Anstrengungen mein Hunger sehr in Grenzen. Ich nahm einen Schluck Wasser aus der Gerolsteinerflasche in meiner Tasche und fotografierte das Rathaus samt der mittelalterlichen Rolandsfigur. Dann machten Mutter und ich vom Angebot der Quedlinburger Bimmelbahn Gebrauch und ließen uns für moderate 6,- € eine Dreiviertelstunde lang kreuz und quer vorbei an den herrlichen Fachwerkbauten der Altstadt kutschieren. Der „Zugführer“ des holprigen Gefährts erläuterte die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt und so kamen wir an Orte, an die uns unsere Füße an diesem Tag sicherlich nicht mehr getragen hätten.
Zurück auf dem Markt, ging es durch den Hoken noch zum Marktkirchhof, wo wir der Marktkirche St. Benedikti einen Besuch abstatteten. Bei ihr handelt es sich um eine gotische dreischiffige Hallenkirche, die im 15. Jahrhundert unter der Einbeziehung romanischer Bauteile einer Vorgängerkirche entstanden ist. Auch diese Kirche besticht durch ihren kulissenhaft inszenierten barocken Hochaltar aus der Zeit um 1700. Allerdings gibt es in der Kalandkapelle und im südlichen Seitenschiff auch noch gotische Schnitzaltäre aus dem späten 15. Jahrhundert zu bewundern.
Nun ging es durch die Wordgasse – vorbei am ältesten Fachwerkhaus Quedlinburgs – zurück zu unserem Auto. Da Mutter Lust auf griechisches Essen hatte, machten wir uns auf die Suche nach einem entsprechenden Lokal. In Thale – wir wollten die Suche schon fast aufgeben – machte uns ein Passant, den wir fragten, auf das Restaurant Athos aufmerksam, in dem wir hervorragend zu Abend aßen.
Das Wohnzimmer in der Neuen Abtei
Raubgrafenkasten und Prügelbock
St. Blasii
Das Rathaus in Quedlinburg
Der Quedlinburger Roland
Fachwerk in Quedlinburg
Die Marktkirche St. Benedikti
Der Altar in St. Benedikti
Die Kanzel in St. Benedikti

 

Donnerstag 15. September

Heute hatten wir uns einen Besuch auf dem Hexentanzplatz hoch über dem Bodetal bei Thale vorgenommen. Das erste Ziel des Tages war allerdings der in der Nachbarschaft von Bad Suderode gelegene Ort Gernrode, wo ich unbedingt das Heilige Grab in der Stiftskirche St. Cyriakus in Augenschein nehmen wollte. Auch diese geht auf ein adeliges Damenstift zurück, das Gero, der von König Otto I. in den Jahren von 939 bis 965 über die slawischen Stämme in der Sächsischen Ostmark eingesetzte Markgraf, gestiftet hatte. Er errichtete innerhalb seiner zum Kloster umgewandelten Burg ab 959 eine Kirche, besser gesagt eine kreuzförmige Basilika mit drei Apsiden. Sie überrascht durch die Emporen über den Seitenschiffen, die sich durch eine Serie gekuppelter Arkadenfenster zum Hauptschiff hin öffnen. Es handelt sich um die älteste derartige Emporenanlage außerhalb von Byzanz. Die unterwölbten Emporen in den Kreuzarmen wurden allerdings erst im 2. Viertel des 12. Jahrhunderts unter Abtissin Hedwig II. (1118 – ca. 1152) errichtet. Ähnlich des Bamberger Doms verfügt auch die Cyriakuskirche seit dem 12. Jahrhundert über einen Westchor der sich über einer auf zierlichen romanischen Säulen errichteten Krypta erhebt. Im Chor darüber ist die im byzantinischen Stil gestaltete Orgel aufgestellt. Die Kuppel füllt ein großes, an eine Ikone erinnerndes Fresko, welches den auferstandenen Christus im Kreise seiner Jünger und einer Engelschar darstellt. Der Ostchor erhebt sich über einer auf viereckigen Pfeilern ruhenden vorromanischen Krypta, die als ältestes norddeutsches Beispiel einer Hallenkrypta gilt. Auch hier ist die Apsis mit ikonenartiger Malerei geschmückt. In ihr steht ein schlichter Altartisch, der ebenso aus dem 19. Jahrhundert stammt, wie die das Kircheninnere schmückenden Malereien, die Kanzel, die beiderseits der zum Hochchor führenden Freitreppe angebrachten Ambonen und die Orgel. Vor der Freitreppe – in der Mittelachse des Hauptschiffs – befindet sich das Hochgrab des Stifters, des 965 verstorbenen Markgrafen Gero, das allerdings erst eine Schöpfung aus dem Jahr 1519 ist.
Der Hauptgrund für meinen Besuch in Gernrode, das Heilige Grab, befindet sich seit etwa 1050 im südlichen Seitenschiff der St. Cyriakus-Kirche. Die nördliche und vor allem die westliche Außenseite des in zwei Arkadenbögen eingebauten kubischen Gebildes, sind mit einem reichen, in Gipsstuck ausgeführten Bildprogramm versehen. Das Innere des Heiligen Grabes ist heute nur in kleinsten Gruppen, im Rahmen von Sonderführungen zugänglich. Es teilt sich in eine schmucklose Vorkammer und eine Hauptkammer, deren auf das Ostergeschehen bezogene Figurenprogramm Zeugnis von der Glaubenswelt des hochmittelalterlichen Christentums gibt. Den Kern des christlichen Glaubens bilden auch heute die Berichte der vier Apostel vom Kreuzestod Jesu und dessen Auferstehung. Durch das Heilige Grab rückte dieses Ostergeschehen für die Gläubigen in der Cyriakuskirche in greifbare Nähe und ermöglichte die unmittelbare Teilhabe daran. Vom romanischen Kreuzgang aus können Kirchenbesucher auch heute noch durch zwei kleine Gucklöcher einen Blick in das mystische Innere des Heiligen Grabes werfen.

Westwerk von St. Cyriakus
Das Innere von St. Cyriakus
 
Die romanische Emporenanlage
Romanischer Taufstein
Vorromanische Hallenkrypta
Die nördliche Außenwand des Heiligen Grabes
Die reichverzeierte Westseite des Heiligen Grabes
Blick vom Kreuzgang aus in das Innere der Hauptkammer des Heiligen Grabes
Die in der Stiftskirche Gernrode gesammelten Eindrücke hatten Mutter und mich die Zeit vergessen lassen. So war es schon fast Mittag, als wir uns nach Thale aufmachten, wo heute – wie schon eingangs erwähnt – ein Besuch des Hexentanzplatzes vorgesehen war. Wir verzichteten auf eine Fahrt mit der Kabinenseilbahn und fuhren mit dem Auto auf den Großparkplatz am Berg. Den Auftakt unserer Besichtigung bildete eine Kutschfahrt durch das mit zahlreichen Freizeitattraktionen, wie einem Tierpark, einer Minigolfanlage, der Walpurgishalle und dem Erlebnismuseum „Harzeum“ gespickten Gelände rund um den Hexentanzplatz. Danach ging es vorbei an Souvenierverkaufsläden und Gastronomiebetrieben zum eigentlichen Hexentanzplatz, einer ebenen, etwas zerklüfteten Felsebene am steil abfallenden Talrand.
Wir hatten herrliches Wetter und gute Sicht. Jenseits des tief eingeschnittenen Bodetals grüßte die Aussichtsplattform der Roßtrappe herüber, darüber spannte sich in blauer Ferne der Bogen des Brockens, dessen Gipfel an diesem Tag gerade einmal nicht von Wolken verhüllt war. Zu Mittag gab es eine Thüringer Bratwurst, deren Geschmack uns sehr an eine gebratene Weißwurst erinnerte. Nachdem sich Mutter um mich – ich hatte mich etwa eine halbe Stunde auf dem steinigen Hexentanzplatz selbstständig gemacht – große Sorgen gemacht hatte, musste sie sich noch mit einem Eiskaffee stärken. Leider war wohl die dazu verwendete Schlagsahne nicht die Frischeste gewesen. Nachdem wir noch das auf dem Kopf stehende Haus der Hexe Watelinde besichtigt hatten, machten wir uns noch einmal auf nach Quedlinburg, wo ich noch die St.-Wiperti-Kirche in Augenschein nehmen wollte.
Die Stiftskirche St. Cyriakus in Gernrode mit dem romanischen Kreuzgang
 
Blick vom Hexentanzplatz ins Bodetal
Watelinde und ich
Watelindes Hexenhaus
St. Wiperti in Quedlinburg
Flügelaltar in St. Wiperti
Das schlichte Innere der Wipertikirche
Diese fanden wir auch nach kurzer Irrfahrt dank der Auskunftsfreudigkeit freundlicher Passanten. Sie steht inmitten des ältesten Friedhofs außerhalb der Mauern der Stadt Quedlinburg, der besonders durch seine in mehreren Etagen übereinander gelegenen Gruftanlagen mein Interesse auf sich zog. In ottonischer Zeit gehörte sie zu einem am Fuß des Schlossberges gelegenen Königshof. König Otto I. übertrug diesen Hof 961 der Äbtissin des Damenstifts Quedlinburg unter der Bedingung, dort ein Kanonikerstift mit mindestens 12 Kanonikern zu unterhalten. Um diese Zeit entstand wohl die Wipertikirche als steinerne Pfeilerbasilika. Da die Kirche 1816 in eine Scheune verwandelt wurde, hat sich von der Innenausstattung wenig erhalten. Der im nördlichen Seitenschiff ausgestellte Marienaltar – ein spätgotischer Schnitzaltar aus dem Jahr 1485 – stand ursprünglich in der Quedlinburger St. Ägidienkirche. Das in das Langhaus führende romanische Marienportal wurde von der ehemaligen Marienkirche auf dem Münzenberg hierher übertragen. Das Besondere von St. Wiperti ist die Krypta unter dem Chorraum. Sie wurde um 1000 in die damals wohl schon ein halbes Jahrhundert bestehende Kirche eingebaut und ist als Hallenumgangsraum konzipiert. Am Ende des von 5 zierlichen Säulen abgeschlossenen Zentralraumes steht ein steinerner Altartisch mit einer großen, viereckigen und ehemals verschließbaren Reliquiennische. An der darüber liegenden Gewölbekuppel konnten Reste von Wandmalereien gesichert werden. Der darum herum führende Umgang wird durch Arkadenbögen vom Zentralraum getrennt, die auf 4 Pfeilern und 4 Säulen ruhen. An der Außenseite verfügt der Umgang über 7 rundbogige Wandnischen.
Nachdem ich auch noch die interessanten Grüfte auf dem Friedhof von St. Wiperti einer kurzen Betrachtung unterzogen hatte, ging ich zurück zum Auto, wo Mutter schon wieder eine knappe Stunde geduldig auf mich gewartet hatte. Nun waren wir hungrig und fuhren wieder zum Griechen nach Thale.
Gotischer Flügelaltar in der Wipertikirche
Im Zentralraum der Krypta in St. Wiperti
Im Umgang der Krypta von St. Wiperti
Das Marienportal von St. Wiperti
Schloss Quedlinburg als Modell im Miniaturenpark "Kleiner Harz"

 

Freitag, 16. September

Es ist schon erstaunlich, wie genau heutzutage die Wettervorhersagen sind. Gestern herrschte noch herrlichster Sonnenschein; als ich jedoch heute beim Aufwachen aus dem Fenster schaute, blickte ich auf einen grau verschleierten Himmel und auch der Harz hüllte seine grünen Häupter den ganzen Tag in grauen Dunst. Heute war Wernigerode das Ziel des Tages. Eine knappe Dreiviertelstunde fuhren wir von Bad Suderode auf der vierspurig ausgebauten Bundesstraße B 4 dort hin. Die erste Attraktion des Tages war der „Kleine Harz“ im Bürgerpark. In einer mit Hügeln und Pflanzen verschiedener Art gestalteten Gartenlandschaft werden über 60 Sehenswürdigkeiten des Harzes im Maßstab 1:25 dem Besucher präsentiert. Burgen, Schlösser und Fachwerkhäuser, aber auch den Brockengipfel kann man auf dem Spaziergang durch den im Zuge der Landesgartenschau 2006 angelegten Park Revue passieren lassen. Dazwischen immer wieder Stelen, die auf Knopfdruck touristische und historische Informationen hören lassen, und Modelleisenbahnen, die sich entweder durch Knopfdruck oder per Handkurbeln bewegen lassen. Auch an Spielgeräten für Kinder wurde nicht gespart.
Nun ging es mit dem Auto weiter in die nahe Innenstadt. Das Parkhaus „Altstadt“ war besetzt, doch konnten wir gleich um die Ecke in der Tiefgarage des Hotels „Zum Hirschen“ noch einen Stellplatz ergattern. Von hier aus waren es nur wenige Schritte zum Marktplatz, auf dem gerade buntes Markttreiben herrschte. Mutter freute sich, mir das in den Obergeschossen aus Fachwerk errichtete Rathaus zu zeigen, von dem sie bei einer vor Jahren gemachten Busreise her noch ganz begeistert war. Das Gebäude entstand in seiner heutigen Form um die Mitte des 15. Jahrhunderts und besonders die beiden Türmchen mit spitzen Helmen, die die Marktseite des Gebäudes gliedern, verleihen demselben ein pittoreskes Aussehen. Längere Zeit bräuchte man zur genauen Betrachtung der originellen Schnitzfiguren unterhalb der ebenfalls mit Gesichtern beschnitzten Balkenköpfe des Fachwerks im Obergeschoss. Neben Bauern, Handwerkern Narren und anderen Gestalten findet man dort auch die Figur des Zimmermeisters Thomas Hilleborch, der Plan und Zirkel in den Händen hält, und für den Bau des stattlichen Rathauses verantwortlich zeichnete.

Schloss Wernigerode als Modell im Miniaturenpark "Kleiner Harz"
Auf dem Marktplatz von Wernigerode
Das Rathaus und der Wohltäterbrunnen in Wernigerode
Zimmermeister Thomas Hilleborch am Wernigeroder Rathaus
Die Sylvestrikirche in Wernigerode

Vom Rathaus aus ist es nicht weit zur Sylvestrikirche, die von den schönen Fachwerkhäuschen des Oberpfarrkirchhofs umgeben ist. Auch diese Kirche geht auf einen romanischen Bau des 13. Jahrhunderts zurück, erhielt sein heutiges Aussehen jedoch im Zuge einer Umgestaltung im neugotischen Stil im 19. Jahrhundert. Die wichtigsten Einrichtungsgegenstände sind ein großer spätgotischer Flügelaltar im gerade abschließenden und mit drei großen Spitzbogenfenstern versehenen Hauptchor der Kirche, ein weiterer spätgotischer Schnitzaltar im südlichen Kreuzarm der Basilika und ein ausdrucksvolles Haupt des gekreuzigten Christus an einem Pfeiler des Langhauses. Erwähnenswert sind auch drei gewirkte mittelalterliche Bildteppiche, die im südlichen Querhausarm aufbewahrt werden. Besonders hat es mir aber ein großer, mit Schnitzereien versehener Sakristeischrank aus dem 13. Jahrhundert angetan; eines der ältesten Möbelstücke, die ich bisher gesehen habe.
Nur wenige Schritte entfernt, an der Blumenuhr hinter dem Rathaus, gleich in der Nachbarschaft zum „Schiefen Haus“, ist die Haltestelle der Wernigeroder Bimmelbahn. Die Tickets kauft man gegenüber in einem Laden, in dem es auch allerlei Souvenirs zu erwerben gibt. Dort erfuhr ich zweierlei: Erstens, das es die nächste Stadtrundfahrt mit Erklärungen zu den einzelnen Sehenwürdigkeiten erst am Samstag Abend um 18.00 Uhr gäbe, heute fahre man nur zum Schloss. Und Zweitens, das die Wernigeroder Bimmelbahn leider nicht die Harzcard akzeptiere. Dies tue nur der Mitbewerber, die Wernigeroder Schlossbahn, die aber außerhalb der Altstadt, am Großparkplatz Anger, an der Alten Kapelle in der Gustav-Petri-Straße oder beim Krummelschen Haus abfahre. Alle diese Haltestellen lagen mehrere hundert Meter weit entfernt und da wir beide nicht so gut zu Fuß sind, haben wir in den sauren Apfel gebissen und 6,- € pro Person für die Fahrt zum Schloss hingeblättert.

 

Das Innere der Sylvestrikirche
Ausschnitt aus dem Hauptaltar der Sylvestrikirche
Epitaph in der Sylvestrikirche
Sakristeischrank aus dem 13. Jahrhundert
Christushaupt in der Sylvestrikirche

Vorbei an der Orangerie im Lustgarten, in dem heute das Landesarchiv untergebracht ist, und am fürstlichen Marstall mit Reithalle – beides repräsentative Ziegelbauten – ging es bald steil bergauf durch den bewaldeten Schlossberg. Nach etwa 15 Minuten Fahrt waren wir vor dem Schlosstor angekommen. Nun ging es noch über eine Reihe von Treppen und durch einen dunklen Gang hinauf zur Schlossterasse in den dortigen Biergarten. Der Himmel war zwar wolkenverhangen und die umliegenden Berge von grauem Dunst verschleiert, doch regnete es nicht. So setzten wir uns im Freien an einen Tisch und Mutter bestellte sich einen Eisbecher. Ich labte mich an einem KiBa und stieg dann die letzten paar Treppen hoch zur bastionsförmigen Großen Schlossterasse, von wo aus die Kasse und dann – durch das Hauptportal im „Fahnenturm“ – das Schloss zu betreten ist.
Man befindet sich in einem Treppenturm durch den man auf einer filigranen neugotischen Treppenkonstruktion empor auf den inneren Schlosshof gelangt. Hier setzte mir erst einmal auf eine Bank und genoss den Anblick der sich mir hier bot. Zwar reicht die Geschichte des Schlosses Wernigerode bis in das frühe 12. Jahrhundert zurück, als der Salier Heinrich V. die Ansiedlung königstreuer Adeliger zur Sicherung seiner Machtposition im Harz förderte. Damals gründete der aus Schwaben stammende Graf Adalbert von Haimar die Burg Wernigerode, dessen Nachkommen – die Grafen von Wernigerode – im 15. Jahrhundert ausstarben. Auf dem Erbweg gelangte die Herrschaft nun an die Grafen von Stolberg, die – seit 1890 als Fürsten – bis zu ihrer Enteignung im Zuge der Bodenreform 1945 die Eigentümer des Schlosses blieben. Unter Graf Otto von Stolberg-Wernigerode (1837-1896) wurde dasselbe unter der Leitung des Blankenburger Architekten Karl Frühling in ein „Märchenschloss“ im Stil des Historismus umgestaltet. Auch wenn dann und wann das Wernigeroder Schloss als das „Neuschwanstein des Harzes“ tituliert wird, so ist es doch eher mit der ebenfalls im 19. Jahrhundert weitgehend neu errichteten Hohenzollernburg zu vergleichen. Beide Schlösser sind viel wohnlicher eingerichtet als das mit Prunk und Protz überladene Neuschwanstein im Allgäu. Leider ist – wie auf der Hohenzollernburg – auch in Wernigerode das Fotografieren im Inneren des Schlosses verboten.
Zurück bei Muttern gönnte ich mir erst einmal ein Getränk. Dann gingen wir den längeren Weg, die Burgauffahrtsstraße, vorbei an den Bedienstetenhäusern zurück zur Bimmelbahn, die uns wieder bequem zurück in die Innenstadt brachte. Nun ging es wieder zurück zum Auto und mit diesem zum „Harzer Baumkuchenhaus“, das unser Navi am äußersten Stadtrand mitten in einem Industriegebiet lokalisierte. Hier gab es auf Harzcard-Kosten einen halben Baumkuchenring mit Kaffee. Das genossen wir als Vorspeise zu unserem Abendessen, das uns beim Griechen in Thale wieder köstlich mundete.

Harald Stark, September 2016

Tor zur Auffahrt zum Schloss Wernigerode
 
 
 
Schloss Wernigerode von der Großen Schlossterasse aus
Fachwerkbau im Innenhof des Schlosses
Blick in den Innenhof des Schlosses